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Doch Haft für ehemaligen SS-Mann Heinrich B. – mit 89 Jahren

VonPeter Patzow

Sep 7, 2011 #featured

Exterior of prisoner huts at Auschwitz, Poland

Exterior of prisoner huts at Auschwitz, Poland

Mit 89 Jahren denken viele eher ans baldige Sterben, als an den Antritt einer Haftstrafe. Nun glaubt ein Gericht in Aachen, es könne sage und schreibe bald 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges immer noch einzelnen Personen eine Schuld an Morden im Dritten Reich nachweisen.  Deshalb soll nun wegen des Vorwurfs eines dreifachen Mordes Heinrich B.  als NS-Kriegsverbrecher angeblich ins Gefängnis. Das zumindest scheint die  Aachener Zeitung  in der morgigen Donnerstagsausgabe zu berichten.

Der zuständige verantwortliche Oberstaatsanwalt Robert Deller wird mit den Worten zitiert, er habe nun endliche eine für B. geeignete Haftanstalt gefunden. Dort müsse er in Kürze seine Strafe antreten. B. gilt als schwer krank und wurde von einem Gutachter etwas schwammig als „prinzipiell haftfähig“ erklärt.

Der ehemalige SS-Mann ist im März 2010 vom Landgericht Aachen zu lebenslanger Haft verurteilt worden.  B. lebt derzeit in einem Altersheim in Eschweiler bei Aachen. Er hatte vergeblich angeblich versucht, vor dem Bundesgerichtshof das Urteil anzufechten. Dennoch bleiben viele Fragen offen: Wie glaubwürdig ist ein solches Urteil über Vorfälle die bald 70 Jahre zurückliegen? Wie glaubwürdig sind dann noch Zeugenaussagen – wo viele Menschen sich schon an Dinge nicht mehr erinnern können, die nur eine Woche zurückliegen.  B. wirft das Gericht vor, er habe Mitschuld an der Erschießung dreier Zivilisten in den besetzten Niederlanden. Er sei Mitglied eines SS-Sonderkommandos gewesen.

Doch: schafft es Gerechtigkeit einen 89-Jährigen bald 70 Jahre nach der angeblichen Tat ins Gefängnis zu stecken? Oder ist das eine schein(heilige)-Justiz – zumal der Beschuldigte 1944 erst 22 Jahre alt war. Zudem: es war Krieg und das Handeln auch der SS-Angehörigen war in der Regel mit damaligem deutschem (Kriegs)Recht im Einklang.

Zum Vergleich: Das westliche Kriegsbündnis NATO hat auch vorsätzlich im Libyen-Krieg Zivilisten ermordet – zum Beispiel einen der Gaddafi-Söhne, seine Frau und drei Kinder. Doch nach derzeitigem Stand wird sie dafür nicht wegen Kriegsverbrechen vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag angeklagt. Was ist also Rechtens, was sind Kriegsverbrechen? Gelten etwa unterschiedliche Rechtsauffassungen je nachdem, wer gerade an der Macht ist? Und: Wann ist Vergangenheit Vergangenheit und damit nicht mehr sühnbar? Ist der eine Tote mehr wert als der andere? Diskutieren Sie mit, Ihre Meinung interessiert uns!

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