• Fr. Apr 26th, 2024

IG Farben-Gelände +++ Evakuierung Frankfurt betrifft 10 Prozent der Bevölkerung wegen britischer Weltkriegsbombe +++

Sieht harmlos aus, hat es aber in sich: Der Bombenfund von Frankfurt auf dem ehemaligen Gelände der IG Farben, wo heute die Uni Frankfurt elitär residiert.

Sieht harmlos aus, hat es aber in sich: Der Bombenfund von Frankfurt auf dem ehemaligen Gelände der IG Farben, wo heute die Uni Frankfurt elitär residiert.

Ein Anwohner ist irritiert bis sauer: „Ich soll diesen Sonntagfrüh am 3. September schon ab 6 Uhr meine Wohnung in der Eschersheimer Landstraße beim Uni-Campus von Frankfurt verlassen, da Spezialeinheiten ausgerechnet an diesem Tag eine riesige Bombe, welche die Briten im Zweiten Weltkrieg über Frankfurt abgeworfen haben, entschärfen wollen.“

Aus diesem Grunde haben Sicherheitskräfte von Frankfurt am Main nun rund 10% der Bevölkerung von Deutschlands wichtigster Finanzmetropole aufgefordert, ihre Wohnungen und Häuser zu verlassen – mindestens 60.000 bis 70.000 Menschen, wenn nicht mehr.

In Deutschland werden fast wöchentlich immer noch Fliegerbomben aus dem Zweiten Weltkrieg, die meisten von den Amerikanern oder Briten abgeworfen, gefunden.

Immerhin hatten die Briten und Amerikaner Millionen dieser Bomben über Tausenden deutschen Ortschaften im Luftkrieg abgeworfen. Damit hatte man gut 50% der städtischen Flächen Deutschlands zerstört.

Dass aber 10% der Bevölkerung einer der wichtigsten deutschen Städte und Wirtschaftsmetropolen, wozu Frankfurt am Main gehört, bald 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges evakuiert werden muss, ist erstaunlich.

Die Evakuierungsaktion wird von Jörg Bannach, dem Leiter des Frankfurter Ordnungsamtes, koordiniert. Ebenso federführend ist Frankfurts Sicherheitsdezernent Markus Frank (CDU) .

Dabei können kritische Fragen durchaus gestellt werden: Warum müssen 60.000 bis 70.000 Bürger, wenn nicht mehr, gut 10% der Bevölkerung Frankfurts, ausgerechnet an einem Sonntag, einem in der Regel freien Tag, ihre Wohnungen und Häuser verlassen?

Hat die Stadt Frankfurt für die Bürger keinen anderen Tag finden können, einen, wo man eh in der Arbeit ist? Also Montags bis Freitags???

Zudem: Bietet die Stadt Frankfurt Entschädigungen für diesen massiven Eingriff in das Leben so vieler Bürger?

Derweil macht die Stadt Frankfurt am Main kräftig Druck gegen seine Bürger:

„Wenn wir noch Personen in einem Gebäude vermuten, können wir nicht mit der Entschärfung anfangen“, wird Frankfurts Feuerwehrchef Reinhard Ries in der Frankfurter Neuen Presse zitiert. (1)

Er appelliere „an die Vernunft der Bürger“, so die FNP. Grund: Die von Großbritannien im Zweiten Weltkrieg abgeworfene Bombe sei keineswegs harmlos.

Angeblich wiege sie 1,4 Tonnen, 1400 Kilogramm. Ihr Zweck war damals klar:

Die Briten wollten mit dieser Riesenbombe Tausende Deutsche in Frankfurt umbringen und keinesfalls, wie die Behörden von Frankfurt verharmlosend behaupten, nur „Häuser abdecken“ über „Splitter“.

Mit dem Bombenkrieg wollten die Briten mit den Alliierten das nationalsozialistische Regime in Berlin zum Einlenken bewegen, den Krieg zu beenden. Danach wollte man Deutschland für Jahrzehnte besetzen und unter den Siegermächten USA, Großbritannien, Frankreich und Sowjetunion (Russland) politisch und wirtschaftlich aufteilen.

Das geschah dann auch größtenteils. Effektiv dauerte die Besetzung bis 1990, also 45 Jahre.

Ein Frankfurter Anwohner erzählt zu der anstehenden Riesen-Evakuierung in der neben London wichtigsten europäischen Finanzmetropole: „Ich habe erfahren, dass die Frankfurter Polizei angeblich sogar mit Wärmebildkameras über unsere Häuser fliegen will und Personen aufspüren will“.

Vieles davon dürften Drohszenarien sein, da Wärmebildkameras eher nicht durch mehrere Häuserschichten dringen können.

Jedenfalls müssen die Bürger rund um den nagelneuen in den vergangenen Jahren luxuriös gebauten schicken Campus der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main in einem Umkreis von gigantischen bis zu 2,1 Kilometern (Fußmarsch) ihre Häuser und Wohnungen verlassen (Karte).

Weite Teile der Frankfurter Innenstadt müssen evakuiert werden. Dieser grobe Ausschnitt aus Google Maps zeigt die Ausmaße)

Die Evakuierung findet rund um den Uni-Campus statt:

  • Im Osten bis circa zur Lenaustraße (1,8 Kilometerentfernt; Höhe U-Bahn Musterschule).
  • Im Norden bis zur Fritz-Reuter-Straße (2,1 Kilometer entfernt; Höhe U-Bahn-Station Fritz-Tarnow-Straße).
  • Im Westen bis zur Franz-Rücker-Allee (1,9 Kilometer entfernt; Höhe U-Bahn Ginnheim).
  • Im Süden bis zu Kettenhofweg fast bis zur Alten Oper (1,8 Kilometer entfernt; Höhe U-Bahn Alte Oper).

Für die genauen Gebiete bitte auf die von der Feuerwehr Frankfurt zur Verfügung gestellte Karte zurückgreifen unter: geoinfo.frankfurt.de.

Dass die Bombe auf dem Gebiet der Frankfurter Universität gefunden wurde, verwundert nicht: Das legendäre Zentralgebäude der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main war im Zweiten Weltkrieg die Zentrale der IG Farben, einem der mächtigsten und umstrittensten Chemiekonzerne der Welt damals. (2)

Die I.G. Farbenindustrie AG war in den 1920er bis 1940er Jahren das größte Chemieunternehmen der Welt.

Es war am 2. Dezember 1925 aus zahlreichen deutschen globalen Chemiekonzernen gegründet worden und zu einem mächtigen Konglomerat ausgebaut worden, in dem zehntausende deutscher Patente rund um Chemie oder Elektronik gebündelt wurden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten die Siegermächte das gigantische Unternehmen zerschlagen, wobei Wikipedia schreibt, die Aufteilung habe ganze 60 Jahre gedauert, also bis ins Jahr 2005. Im Zentrum der für die Nazis so wichtigen IG Farben standen im wesentlichen drei Unternehmen: Agfa, BASF und Bayer.

Die Neue Presse Frankfurt führt zur Bombenentschärfung am Sonntag den 3. September 2017 aus:

„Sollte die Entschärfung schiefgehen, würde es durch die Druckwelle zu erheblichen Schäden in mehreren 100 Metern Umkreis kommen. Wer sich am Sonntag nach 8 Uhr noch in der Sperrzone befindet, muss damit rechnen, von der Polizei weggebracht zu werden – notfalls auch mit Zwang, wie Polizeivizepräsident Walter Seubert betont.“

Zudem würden bis 12 Uhr Beamte an jeder Wohnungstür klingeln, wobei Ordnungsamtsleiter Jörg Bannach davor warne, „sich der Evakuierung zu widersetzen und damit den Zeitplan zu gefährden“. Wer das tue, müsse mit Schadensersatzforderungen und eventuell auch mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen, baut die Stadt Frankfurt eine Drohkulisse auf.

Dabei ist die Planung bislang äußert chaotisch. Ein Einwohner des Sperrgebietes erzählt gegenüber kriegsberichterstattung.com:

„Ich habe keinen einzigen Flugzettel in meinem Briefkasten gefunden, die mich darüber informiert hätte, dass hier eine solch gigantische Fliegerbombe gefunden wurde und an diesem Sonntag entschärft werden soll.“

Auch am Schwarzen Brett seines Hauses oder der Eingangstüre habe er keine Hinweise der Behörden gefunden. Das gleiche gelte für sonstige öffentliche Anschlagsplätze, wie Laternenpfähle oder U- und S-Bahnstationen, wo üblicherweise andere Städte kundtun, dass eine Entschärfung droht. Auch hier habe er bis Freitagabend keine Informationen zum Bombenfund und den ausladenden Evakuierungen der Stadt Frankfurt gefunden.

Dass er als unmittelbarer Nachbar der Goethe Uni Frankfurt von dem gigantischen Bombenfund überhaupt erfahren habe, liege an seinen Kollegen: „Die sagten mir, was ansteht“. Dann habe er erstmal verwundert im Internet recherchiert, um weitere Informationen zu erhalten.

Die Massenvernichtungsbombe der Briten war am Dienstagmittag während Bauarbeiten auf dem Campus der Goethe Universität Frankfurt, der in den vergangenen Jahren mit Hilfe von Sponsorengeldern zu den schönsten und nobelsten in Deutschland ausgebaut worden ist, gefunden worden.

Für gut 6500 Menschen biete man während der ganztägigen Entschärfungsaktion Notunterkünfte an, teilte die Stadt Frankfurt mit.

Unter anderem biete man in Zusammenarbeit mit der Messe Frankfurt für rund 6500 Personen zwei Messehallen, die Jahrhunderthalle, die Ballsporthalle sowie Turnhallen. Besonders heikel dürfte die Evakuierung zweier wichtiger Frankfurter Krankenhäuser werden. (3)

Mit Bussen können die Zehntausenden Betroffenen sich zu den Notunterkünften bringen lassen:

  1. Buss-Stationen Fallerslebenstraße bei der Raimundstraße (Linie 64 Richtung Ginnheim).
  2. Hansaallee (Bushaltestelle Plieningerstraße der Linie 64 Richtung Ginnheim).
  3. Bus-Station Holzhausenstraße (Bushaltestraße Holzhausenpark der Linie 36 in Richtung Sachsenhausen).
  4. Bushaltestelle Fürstenbergstraße (Bushaltestelle Uni-Campus Westend der Linie 36 in Richtung Westbahnhof).
  5. Bushaltestelle Reuterweg (Bushaltestelle Kronberger Straße der Linie 64 in Fahrtrichtung Hauptbahnhof). (4)

Die Busse fahren am Sonntag den 3. September zwischen 6 und 8 Uhr. Nach Beendigung der Bombenentschärfung sollen die Zehntausenden Bewohner mit den Bussen wieder zurückgebracht werden. Genaue Informationen bitte auch auf twitter der Frankfurter Feuerwehr einholen oder über ein Bürgertelefon unter der Telefonnummer 115. (4)

Der Fundort der Fliegerbombe von Frankfurt ist hier (anklicken).

Einzelnachweise

(1) „Bomben-Evakuierung in Frankfurt: Wer nicht freiwillig geht, muss mit Schadensersatzforderungen rechnen„, in Frankfurter Neue Presse vom 01.09.2017. Abgerufen am 02.09.2017.

(2) „IG Farben„, in: Wikipedia.

(3) „Mehr als 60.000 Menschen müssen am Sonntag evakuiert werden„, von Nicole Brevoord/Tamara Marszalkowski auf: journal-frankfurt.de/ vom 31.08..2017.

(4) Twitter-Account Feuerwehr Frankfurt am Main: twitter.com/feuerwehrffm.

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