• Mo. Apr 22nd, 2024

Doch keine Massenvergewaltigungen in Libyen

VonMaximus

Jun 27, 2011 #featured

doubts-over-libyan-rape-allegations-clinton-tells-storries-kriegsberichterstattung-web

doubts-over-libyan-rape-allegations-clinton-tells-storries-kriegsberichterstattung-web

Mehr als 300 deutsche, schweizerische und österreichische Medien haben Anfang Juni 2011 die Behauptung als Tatsache verbreitet, wonach der libysche Machthaber Muammar al-Gaddafi angeblich mit Hilfe von Viagra Massenvergewaltigungen an politischen Gegnern, beziehungsweise Frauen, befohlen haben soll. Das ergibt eine umfangreiche Analyse des unabhängigen Kriegs-kritischen Online-Mediums „kriegsberichterstattung.com“.

Wie sich jedoch zunehmend herausstellt, scheinen die Behauptungen von Massenvergewaltigungen durch Gaddafi-Getreue in Libyen falsch. Das berichtet nun auch die angesehene U.S.-Zeitung „International Herald Tribune“ in einem fünfspaltigen großen Artikel unter der Überschrift „Doubts arise over Libyen rape allegations“ (Ausgabe vom 21. Juni 2011, S. 7). kriegsberichterstattung.com hatte von Anfang erhebliche Zweifel an den Massenvergewaltigungen in Libyen geäußert.

Internationalen Strafgerichtshof plagt bei Falschaussagen kein schlechtes Gewissen

Doch von Zweifeln sind sowohl U.S-Außenministern Hillary Rodham Clinton, sowie der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), Luis Moreno-Ocampo, wenig geplagt. Sie überziehen die Weltpresse in dramatisch inszenierten Medienevents mit der Behauptung, Gaddafi lasse massenhaft Frauen oder politische Gegner vergewaltigen. Dabei gehen sie ganz nach dem Goebbelschen Postulat vor, den Gegner auch durch Diffamierung zu vernichten.

Laut International Herald Tribune hatte Moreno-Ocampo beispielsweise beim Thema Massenvergewaltigungs-Vorwurf als Tatsachenbehauptung gesagt: „We have information that there was a policy to rape in Libya those who were against the government“. Übersetzt heißt das: Wir haben Informationen, wonach es in Libyen eine Politik von Massenvergewaltigungen gegen politische Gegner gibt.

Auch habe er sich, wie die angesehene Tageszeitung schreibt, zu der Behauptung verstiegen, wonach er gar “Beweise” habe, dass Gaddafi seine Soldaten mit Drogen versorge, damit diese besser vergewaltigen könnten: “There is evidence, that anti-impotence drugs were bought in bulk und supplied to soldiers.“ Clinton wiederum hatte sich medieneffektiv „sehr besorgt“ über die angeblichen Massenvergewaltigungen gezeigt, welche angeblich als Mittel des Krieges zur weiteren Spaltung der libyschen Bevölkerung eingesetzt würden („to divide the people by using violence against women and rape as tools of war“) . Gleichzeitig nutzte sie, wie sich jetzt herausstellte, diese Falschaussage als ein Argument mehr, warum das westliche Kriegs-Bündnis NATO Gaddafi eher heute als morgen wegbomben und liquidieren müsse.

Chefankläger ist keine Äußerung peinlich genug

Besonders dem Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs, Moreno-Ocampo, ist während des Libyen-Krieges scheinbar keine Äußerung peinlich genug, und sei sie noch so unseriös, schadet sie doch nur dem verhassten nicht-demokratisch agierenden Gaddafi. So stellt Moreno-Ocampo gerne Dinge als Tatsachen hin, die nicht nur seriöse Politologen und Juristen deutlich bezweifeln.

Dass die deutschsprachigen Medien in einem skandalösen Ausmaß bislang ihrer Pflicht zu kritischer und distanzierter Berichterstattung rund um den Libyen-Krieg nicht nachkommen, das zeigt sich einmal mehr beim Blick auf die Schlagzeilen der auch angesehensten deutschen, österreichischen oder Schweizer Medien. Seit Monaten übernehmen sie unkritisch und ungeprüft fast jede Regierungs- und NATO-Äußerung. Das journalistische Prinzip, dass man auch Gegner, also beispielsweise Anhänger von Gaddafi oder seine Regierungsvertreter in gleichem Ausmaß redaktionell berücksichtigt, wie den Rebellen Raum zu Äußerungen gegeben wird, bleibt fast komplett außen vor und wird zu Randnoten degradiert – wenn überhaupt.

Dieses qualitativ schlechte Prinzip hatten sie einmal mehr beim Thema Massenvergewaltigungen in Libyen verfolgt. Zu schön ist die Vorstellung von solchen Kriegs-Schauermärchen. Zu schön, als dass man es durch lästige Verifizierung und Distanzierung sich kaputt machen möchte. Damit geben sie in unerhörtem Ausmaß ihren Regierungen beim Libyen Krieg Rückendeckung und belügen gleichzeitig die Öffentlichkeit. Das ist einer der Gründe, warum immer mehr Bürger das Internet als Informationsplattform nutzen – wie kriegsberichterstattung.com.

Von Potenzmitteln in den Massenmedien

So schrieb beispielsweise FOCUS Online am ‎09.06.2011‎ „UN: Verdacht von Massenvergewaltigungen in Libyen erhärtet“, NEWS.at schrieb „Gaddafis Truppen werden verdächtigt, Frauen systematisch zu vergewaltigen“, die Berliner Morgenpost behauptet „Massenvergewaltigungen: Gaddafi lässt Potenzmittel an Soldaten verteilen“. Ein Autor der BILD-Zeitung schreibt „Massenvergewaltigungen! Gaddafi putschte seine Schergen mit Viagra auf“. Das Hamburger Abendblatt setzt wenigstens seriös ein Fragezeichen hinter die Massenvergewaltigungs-Behauptung: „Befahl Gaddafi Vergewaltigungen?“ (Ausgabe vom 9.6.2011). Die ZEIT ONLINE schrieb „Clinton beschuldigt Gadhafi-Truppen systematischer Vergewaltigungen“.

Neben kriegsberichterstattung.com äußerte als eines der wenigen Medien lediglich Spiegel-Online Zweifel an dem Massenvergewaltigungs-Vorwurf, indem die Online-Ausgabe des Magazins DER SPIEGEL bereits am 9.6.2011 schrieb: „Der Uno-Ermittler für Libyen, Scherif Bassiuni, hält die massenhafte Vergewaltigungen durch Gaddafi-treue Soldaten für unglaubhaft: Er sagte am Donnerstag, die Vorwürfe seien vermutlich Ausdruck einer ‚Massenhysterie‘ in der libyschen Bevölkerung.“ Spiegel-Online schreibt, Gründe für die Zweifel, lägen vor allem in einer dürftigen Beweislage einer umstrittenen Frau.

Denn: Ursächlich gestreut wurden die Vergewaltigungs-Gerüchte von der Psychologin aus dem libyschen Rebellen-Camp in Benghazi, Seham Sergewa. Sie hatte behauptet, sie hätte unter 60.000 Befragten 259 Vergewaltigungs-Opfer herausgefunden. Für diese Entdeckung habe sie mehrere Wochen Lang im Osten Libyens gemeinsam mit Mitarbeitern Untersuchungen durchgeführt und Fragebögen verteilt. Auch habe sie persönlich sogar rund 140 Frauen interviewt, ließ sie mitteilen.

Eine Frau streut Unsinn

Andere Mediziner, schreibt die International Herald Tribune, hätten die Methoden von Frau Sergewa aber mittlerweile als unseriös kritisiert. Niemand könne allen Ernstes den Vorwurf einer Vergewaltigung an über 250 Frauen mit Fragebögen klären, welche in wenigen Wochen verteilt worden sind. Selbst der Chef der psychiatrischen Anstalt von Benghazi, Ali M. Elroey, habe, schreibt die International Herald Tribune, bislang noch nicht einmal die Fragebögen von Frau Sergewa zu sehen bekommen. Folglich gehe auch er auf Distanz zu der Behauptung von Massenvergewaltigungen. Dr. Elroey habe in einem Interview gesagt, er finde es „a bit exaggerated“.

Amnesty International wiederum gab zu Protokoll, man habe bislang keine glaubhaften Belege, weder für die Behauptung, Gaddafi lasse Sex-Drogen an seine Soldaten verteilen, noch dass es Massenvergewaltigungen in Libyen gegeben habe. Auch die UNO, die anfangs die Behauptung von Massenvergewaltigungen in Libyen ebenfalls in die Weltpresse gestreut hatte, nimmt mittlerweile Distanz auf. So zitiert die International Herald Tribune M. Cherif Bassiouni, Chef der UNO-Ermittlungseinheit in Libyen: Er und sein Team hätten bislang lediglich eine Frau befragt, die behauptet habe, sie sei Opfer einer Vergewaltigung. Von Massenvergewaltigungen könne aber bislang wahrlich keine seriöse Rede sein.

Unter anderem wegen der Behauptung, Gaddafi habe seinen Soldaten Massenvergewaltigungen an politischen Gegnern und Frauen angeordnet, hatte am Montag, den 28. Juni 2011, der zunehmend umstrittene Internationale Strafgerichtshof entschieden Haftbefehl gegen Gaddafi wegen Kriegsverbrechen zu erlassen. Jetzt sind alle 114 Mitgliedstaaten des IStGH verpflichtet, Gaddafi als mutmaßlichen Kriegsverbrecher festzunehmen, sollten sie die Option hierfür erhalten.

Afrikanische Union versucht vergebens Einhalt zu gebieten

Vor allem die Afrikanische Union unter Führung des südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma möchte dieses unter allen Umständen verhindern. Ihr sind die kriegerischen NATO-Aktionen, federführend durchgeführt von den USA, Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien, schon lange mehr als nur ein Dorn im Auge. Sie hatte mehrmals geäußert, sie halte die NATO-Aktionen in ihrer bisherigen Form – es wurden mehr als 10.000 Flüge mit wahrscheinlich über 20.000 abgeworfenen Bomben geflogen – für illegal. Vergebens hatte die Afrikanische Union in den vergangenen Wochen einen Waffenstillstand in Libyen gefordert, um nicht noch mehr Blut zu vergießen. Doch daran hat die NATO kein Interesse.

Angesichts der skandalösen distanzlosen Übernahme der auch übelsten libyschen Kriegs-Gerüchte durch die allermeisten deutschsprachigen, aber auch englischen oder französischen Massenmedien, kann letztlich nur ein Fazit gezogen werden: Die Kriegs-Märchen rund um Gaddafi, gezielt gestreut von den USA, Frankreich, Großbritannien, teils auch der UNO oder des Internationalen Strafgerichtshofs, dienen nur einem Zweck: Mit möglichst vielen Schauermärchen über Gaddafi soll die Weltpresse und Öffentliche Meinung soweit manipuliert werden, bis die UNO der NATO endlich den Weg freigibt, in Libyen mit Bodentruppen einzumarschieren und Gaddafi zu liquidieren.

Verboten und trotzdem angestrebt: Gaddafi ermorden

Das ist der NATO bislang verboten. Das hatte sie aber bislang nicht daran gehindert, bereits einen Sohn von Gaddafi sowie drei seiner Enkelkinder vorsätzlich in einem zivilen Wohngebiet mit einem Raketenangriff zu ermorden. Unter anderem wegen dieses Vorfalls wird in Belgien derzeit ein Verfahren gegen die NATO wegen Kriegsverbrechen vorbereitet. Angestrengt wird dieses von einer der Gaddafi-Töchter.

Dass fast alle deutschsprachigen Medien und Nachrichtenagenturen devot-unkritisch auch die fragwürdigsten Gräuel-Vorwürfe gegen Gaddafi ungeprüft als Tatsachen verbreiten, ist ein nachhaltiger sehr bitterer Beigeschmack dieses Krieges. Die Glaubwürdigkeit der Medien, auch der eigentlich „seriösen“, hat schon jetzt erheblichen Schaden genommen. Randnote: Fast kein deutsches Medium hat bislang die falschen Behauptungen von Massenvergewaltigungen in Libyen korrigiert.

108

Von Maximus

2 Gedanken zu „Doch keine Massenvergewaltigungen in Libyen“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Translate »