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ZDF Putin Portrait: Zwischen Hetze und Einblicken in „Mensch, Putin!“

VonTom

Feb 17, 2015 #featured

Eigentlich hatte man gehofft, im Putin-Porträt des ZDF „Mensch, Putin!“ (Dienstagabend, 20.15 Uhr) einige Neuigkeiten zu erfahren, vielleicht auch einmal pro und contra, Befürworter und Kritiker rund um Russlands umstrittenen Präsidenten Wladimir Putin.

Zwar gab es im Putin-Porträt des ZDF teils eher unbekannten Fakten zur Biographie und zum Menschen Wladimir Putin. Doch glitt die ZDF-Sendung immer wieder ab in recht plumpe Hetze. An einigen Strecken kann man sich sogar des Eindrucks einer gefährlichen Geschichts-Verfälschung nicht entziehen.
Noch relativ großzügig könnte man möglicherweise darüber hinwegsehen, wenn das ZDF in seiner Sendung „Mensch Putin“ angebliche Putin-Zitate einblendet, ohne die originär Quelle – zum Beispiel einen russischen TV-Mitschnitt – dem hinzuzufügen.
Eines dieser Beispiele ist das angebliche Putin-Zitat: „Bei uns in Russland heißt Demokratie Demokratur“. Laut den ZDF-Autoren soll Wladimir Putin dies 2014 gesagt haben. Wann und wo, untermauert durch eine glaubhafte Quellenangabe – das ZDF hält es nicht für nötig.
Geschichtsverfälschend und hetzend sind Einlassungen zu den schrecklichen Terroranschlägen in Russland im Jahr 1999 mit rund 300 Toten. Selbst wer sich mit dem Langzeitgedächtnis schwer tut, wird sich erinnern, dass damals – vor 16 Jahren – kein ernsthafter westlicher Medienbeitrag Wladimir Putin – den späteren russischen Präsidenten – unterstellte, die Terroranschläge selbst inszeniert zu haben, um sich an die Macht zu hauen.

ZDF scheint keine Unterstellung zu peinlich zu sein

Doch dem GEZ-zwangsfinanzierten öffentlich-rechtlichen TV-Sender ZDF ist nicht einmal eine solche völlig aus der Luft gegriffene Verbreitung der Unterstellung zu peinlich, nämlich dass Putin möglicherweise der Terrorist in seinem eigenen Land gewesen sei (um eben später Präsident werden zu können).
Als Zuschauer fühlt man sich von einer solch radikalen öffentlich-rechtlichen an den Haaren herbeigezogenen Kriegspropaganda unangenehm berührt. Hier wird nicht versucht, zu erklären, sondern zu spalten, Öl ins Feuer zu gießen.
Dass faktisch bei jedem Terroranschlag weltweit den Herrschenden unterstellt wird, sie hätten die Terroranschläge inszeniert, um sich an die Macht zu putschten oder sich an der Macht zu halten – auch solche Aus- und Rückblicke hält das ZDF nicht für nötig.
Dabei gebe es Beispiele genug: Bis heute halten sich ausgiebig Gerüchte und Verdächtigungen, wonach 9/11 von dem damaligen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Georg Bush jr., selbst initiiert worden sei.
Ähnliche Behauptungen hatten diverse Blogs und Personen nach den Terroranschlägen in Boston von sich gegeben: Das sei alles staatlich von der CIA oder dem FBI initiiert, um endlich die USA mit noch strengeren Terror-Gesetzen überziehen zu können und die Bürger noch mehr entmündigen zu können.

Es kommen auffällig oft eher Feinde von Putin zu Wort

Dass der amerikanische Militärgeheimdienst CIA ebenfalls foltert und mordet, ist bekannt. Aber im eigenen Land Terroranschläge? Da tut man sich schon sehr schwer, solche Verdächtigungen zu glauben.
Dann wären da noch einige Einlassungen der in Deutschland nicht bekannten (amerikanischen?) Journalistin Masha Gessen. Sie wird im ZDF als Russland-Korrespondentin für die USA – also Putins Erzfeind – angekündigt (man stelle sich mal ein Porträt über US-Präsident Barack Obama vor, in welchem ständig zur Meinungsbildung nur russische Journalisten befragt werden).
Das ZDF gibt im Putin-Porträt der Journalistin ausgiebig Raum für teils seltsame Statements. So sagte sie sinngemäß in „Mensch Putin!“: Nachdem das deutsche nationalsozialistische Terror-Regime Leningrad mit Millionen Menschen versuchte auszulöschen (man denke auch an: „Die Hölle von Stalingrad“), könne man doch heute auch sagen:
Putin sei ein Glückskind und kein Opfer der Nazis. Ok, einer seiner Brüder kam zwar durch die brutale deutsche „Belagerung“ (geht es noch verharmlosender!?) von Leningrad ums Leben. Doch was das ZDF fast unter den Teppich kehrt: Immerhin sind nach Schätzungen während des deutschen Nazi-Terrorkrieges gegen Leningrad rund 1,1 Millionen zivile Bürger der Stadt ums Leben gekommen.
Doch, hei: Wladimir habe doch mit seinen Eltern den fürchterlichen Krieg der Deutschen gegen die Sowjetunion überlebt. Geradezu ins Schwärmen gerät Masha Gessen, wenn sie schildert, was für ein enormes „Glückskind“ Putin doch nach dem Nazi-Terror gewesen sei: Er sei von relativ alten Eltern gesund geboren worden – in einem vom Krieg zerstörten Umfeld. Seine Eltern hätten doch ein komfortables WG-Zimmer gehabt, in welchem er aufgewachsen sei. Zudem habe die Familie eine Datscha gehabt (was auch immer das damals gewesen sein mag).

Soll sich Putin freuen, dem Nazi-Terror mit seinen Eltern entkommen zu sein?

Spätestens da wird man als Zuschauer verärgert: Für wie dumm hält das ZDF eigentlich die Zuschauer? Ein solches Zitat allen Ernstes im 20.15-Abendprogramm zu senden, ist letztlich ein Skandal sondergleichen. Das wäre so, als ob man sagte: Was haben denn die Juden, welche das KZ Auschwitz überlebt haben – das seien doch alles Glückskinder.
Das ZDF vergisst, dass es kollektives wie individuelles Kriegs-Leid gibt und dass keiner sich anmaßen sollte, hier ein Psychogramm zu erstellen, wie jemand möglicherweise den Krieg und die Nachwehen eines fürchterlichen Krieges emotional überlebte (oder auch nicht).
Auffallend ist, dass das ZDF in seinem Putin-Porträt immer wieder ins manipulativ-suggestive abgleitet. Ganz abgesehen davon: Jeder Student weiß, dass man sich an ein solches Konfliktthema wie Wladimir Putin eigentlich nur heranwagen kann, indem man Kritiker wie Anhängern zu Wort kommen lässt. Eine gutaussehende junge Parlamentariern als Pro-Putinistin zu präsentieren ist, mit Verlaub, ein Veräppeln der Zuschauer.
In 45 Minuten Sendezeit hätte man auch deutsche Politiker, zum Beispiel von der CDU, SPD, AfD, den LINKEN oder von den deutschen Unternehmer-Verbänden zu Wort kommen lassen können – auch ohne, dass dies zu einem Schaulaufen der deutschen Politiker wird.
Außerdem gibt es auch hierzulande durchaus Journalisten, die sich mit Russland auch historisch sehr gut auskennen und durchaus objektiv berichten können. Oder man hätte mal Peter Scholl-Latour aus seinem im Jahr 2014 erschienen sehr guten Buch „Das Scheitern des Westens im Orient: Der Fluch der bösen Tat“ zitiert.
Natürlich ist es zudem misslich, dass keine bedeutenden deutschen Politologen, welche sich mit Putin historisch über einen langen Zeitraum auskennen, zur Wort gekommen sind:
Deshalb bleibt uns nur dieser Eindruck: Das ZDF ist leider dem Populismus gefolgt, wonach Hetze schon Quote bringt. Dafür möchten wir aber nicht GEZ-Gebühren bezahlen. Im Jahr sind das immerhin Zwangsgebühren im Umfang von rund 200 Euro pro Haushalt.
Berufstätige mit doppelter Haushaltsführung müssen für eine solche Sendung sogar 400 Euro im Jahr hinblättern oder 800 in zwei Jahren. Das ist viel Geld und man sagt nicht zu viel, dass man dafür höchste Qualitätsansprüche an politische Porträts erwarten darf.

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Von Tom

2 Gedanken zu „ZDF Putin Portrait: Zwischen Hetze und Einblicken in „Mensch, Putin!““

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