Damit hatte nun wahrlich niemand gerechnet: Das Flaggschiff des amerikanischen Journalismus, die Washington Post (Washington Post Co.) wird ausgerechnet von einem Online-Milliardär gekauft – und zwar von keinem geringeren als dem 49-Jährigen Amazon-Gründer Jeffrey P. Bezos. Damit zieht sich die legendäre Graham-Familie aus dem Verlegergeschäft zurück. Vier Generationen hatten die Washington Post durch das schwierige 19. und 20. Jahrhundert geführt. Zuletzt war Donald Graham am Ruder. Davor war Katharina Graham die Verlegerin. Berühmt wurde die Washington Post mit dem Aufdecken der Watergate-Affäre Richard Nixons durch die Journalisten Robert Woodward und Carl Bernstein.
Der jetzige Verkauf der Washington Post ist der vorläufige dramatische Höhepunkt des drohenden Zeitungssterbens. So hatte erst kürzlich Friede Springer, die Hauptaktionären der Axel Springer AG (Bild, Welt), sich von der Berliner Morgenpost und dem Hamburger Abendblatt getrennt, kurz davor hatte die New York Times ihre kleine Schwester, das Traditionsblatt Boston Globe, abgestoßen. Zudem hatte vor drei Jahren der Deutsch-Amerikaner Nicolas Berggruen die spanische angesehen Tageszeitung „El País“ übernommen.
Wie es heißt, habe Amazon-Gründer Bezos recht überschaubare 250 Mio. US-Dollar an die Graham-Family bezahlt für die Washington Post – und zwar bar. Das ist für ein solches Traditionsblatt nicht wirklich viel und zeigt, wie angeschlagen die Washington Post gewesen sein muss, wenn sie für einen solchen Preis nun verkauft wird. Vor einigen Jahren hatte die Braunschweiger Zeitung nicht viel mehr gekostet.
Der Onlinehändler Amazon legt Wert auf die Feststellung, wonach nicht das Unternehmen nun die Washington Post kaufe, sondern Bezos privat – und zwar möglicherweise bereits in den nächsten 60 Tagen. Wie es heißt, würde die Washington Post künftig innerhalb einer publicly traded company verlegt.
CEO Graham wird anlässlich des Verkaufs der Washington Post mit den Worten zitiert: „Die Post hätte unter dem Mantel der Company überleben können und wäre auch für die absehbare Zukunft weiterhin profitabel gewesen. Aber wir wollten mehr tun, als überleben. Ich sage nicht, dass der jetzige Verkauf Erfolg garantieren wird, aber es gibt eine wesentliche größere Chance, dass die Zeitung weiterhin besteht.“
Die Washington Post Co.’s newspaper division hatte in den vergangenen sechs Jahren 44 Prozent ihrer Umsätze verloren – also fast die Hälfte. Hinzu kommt der drastische Abfall der Auflage. So brachen die Verkaufszahlen alleine im ersten Halbjahr 2013 um 7 Prozent ein.
Allerdings kommt der jetzige Verkauf nicht völlig überraschend heißt es von Seiten der Washington Post. Vielmehr habe die Graham-Familie schon vor Wochen Allen & Co. engagiert, um potentielle Käufer auszuloten.
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