Die Medien haben dem langjährigen ehemaligen Ministerpräsidenten von Bayern, Dr. Edmund Stoiber (CSU), gerne nachgesagt, er sei kein guter Redner. Dass das in dieser Pauschalität geradezu albern ist, zeigte ein fachlich und rhetorisch hervorragender Auftritt von Edmund Stoiber in der Talkshow von Günther Jauch in der ARD.
Er war neben einigen anderen Persönlichkeiten, wie der EU-Kommissarin Viviane Reding oder Oskar Lafontaine, Talkshow-Gast zum Thema Staatsschulden in der EU. Zum ersten Mal seit Monaten hörte man wieder hin. Endlich hatte man einmal wieder den Eindruck, dass hier ein waschechter deutscher Politiker sitzt, dem Deutschland wirklich am Herzen liegt. Einer, der Tacheles spricht und sich nicht nur hinter „politisch korrekten“ Euro-Phrasen versteckt. Das merkte auch das Publikum und zollte ihm entsprechend regelmäßig und lautstark Beifall: Die Eurobonds dürften nicht kommen, sie schädigten Deutschland und führten zu einer noch höheren Schuldenfalle der Euro-Staaten, führte Stoiber aus. Die Schuldenmacherei in den EU-Staaten müsse umgehend aufhören. Insgesamt lägen auf nur wenigen europäischen Staaten bereits mehr als 800 Mrd. Euro Schulden.
Gleichzeitig sprach sich Stoiber gegen Bunga-Bunga-Politik vom Schlage Italien aus. Heißt: Reformen mit dem Ziel der Konsolidierung der Staatshaushalte müssten konsequent umgesetzt werden. Das gehe aber nur, wenn die EU auch stärkere Durchgriffsrechte auf Staaten habe, die das nicht konsequent genug verfolgten. Letztlich müssten nämlich, so Stoiber, vor allem auch die Deutschen für mangelnde Reformen in anderen EU-Staaten derzeit bezahlen. Das müsse endlich aufhören.
Bernhard Seitz, ein Euro-Kritiker, widersprach aber Stoiber und Reding, wonach die EU eine zentrale Regierung benötige. Besonders störte er sich an der mangelnden demokratischen Legitimierung der Europäischen Union. Das sehen auch zahlreiche Politologen so. Seit über 15 Jahren macht die Rede vom Demokratiedefizit der EU die Runde. Geändert hat sich aber nicht viel. Insofern wirkten die Aussagen von Reding etwas neben der Sache, die nicht einmal ansatzweise ein Demokratiedefizit in der EU sehen mochte.
Fakt ist aber: Die Bevölkerung kann in Deutschland derzeit keinerlei Einfluss auf EU-Entscheidungen direkt nehmen. Dennoch beruhen 85 Prozent der deutschen Gesetze auf Grund von EU-Erlassen. Das deutsche Parlament hat nur noch die Aufgabe, solche Vorgaben umzusetzen. Es gibt kein demokratisches Mitspracherecht. Das hatte bereits der ehemalige deutsche Bundespräsident Roman Herzog in einem ganzseitigen Artikel in der Wochenzeitung WELT AM SONNTAG kritisiert.
Heftig und deutlich griff neben Stoiber auch Prof. Hans-Werner Sinn die EU-Pläne zur Einführung eines Eurobonds an. Nachdem das Image der „Eurobonds“ bereits stark gelitten hat und diese vor allem in Deutschland auf massive Ablehnung stoßen, hat die EU die Eurobonds nun umbenannt und bewirbt sie unter dem neuen Label „Stabilitätsbonds“. Sinn zählte auf: Die Eurobonds brächten eine Zinsangleichung der Schulden mit sich, was in den EU-Länder dazu führe, dass weiter fleißig Schulden gemacht würden. Oskar Lafontaine, der selbst Bundes-Finanzminister war, sah wiederum das Problem weniger bei den Staaten als vielmehr bei den Banken. Sie seien zentraler Bestandteil der Weltwirtschaftskrise. Sie häuften unermessliche Schulden an, für die aber letztlich die Bürger bezahlen müssten.
Die von der EU geplanten Eurobonds führten „zu unermesslichen Geldflüssen aus Deutschland in die anderen verschuldeten EU-Staaten“, so Sinn. Doch die weitere Schuldenanhäufung beraube die Schulden-Länder (wie Griechenland, Portugal etc.) in noch stärkerem Ausmaß als bislang ihrer Wettbewerbsfähigkeit. Das sei ein Teufelskreis, der durch die Einführung von Eurobonds in der EU in Gang gesetzt werde, aus dem es keinen Ausweg mehr gäbe. Bundespolitiker von SPD und GRÜNEN befürworten dennoch derzeit die Einführung von Eurobonds. Das heißt: Sollte es bei der nächsten Bundestagswahl zu einem Regierungswechsel kommen, könnte es hier zu grundlegenden Änderungen der Staatsfinanzen in Deutschland kommen. Es könnte nach Ansicht vieler die Abenddämmerung des wirtschaftlich souveränen und starken Deutschlands bedeuten.
Am Ende stünde die Option, dass der Eurobond nach zehn Jahren „mit einem lauten Knall“ wieder abgeschafft werden müsse, so Sinn. Bonds sind Wertpapiere, die Staaten an Investoren, also beispielsweise Banken, zu vorher festgelegten Zinsen verkaufen. Es ist also eine wichtige Möglichkeit der Kreditaufnahme für die Staaten. Während Deutschland kaum Zinsen für Kreditaufnahmen mittels Bonds, auch Staatsanleihen genannt, bezahlen muss, sind Schuldenländer wie Griechenland oder Spanien deutlich schlechter dran. Sie bekommen von Investoren nur noch dann Geld, wenn die Staaten sehr hohe Zinsen für den Kauf von Bonds überweisen.
Nachdem Günther Jauch das Thema Euro und Eurobonds bereits in einer ARD-Sondersendung mit Bundeskanzlerin Merkel (CDU) auf bemerkenswerte flache Art und Weise vor einigen Wochen nicht diskutiert hatte, zeigte Jauch in dieser Sendung das Gegenteil: Dass auch komplexe Politik mit den richtigen Talkshow-Gästen massenkompatibel, spannend und unterhaltsam diskutiert werden kann. Dafür gibt es die kriegsberichterstattung.com-Nelke.
Anmerkung am Rande: Stoibers definitiv gelungener Auftritt zeigte, wie blass deutsche Politik derzeit ist. Man kennt die Ministerpräsidenten der Länder kaum mehr. Oder wissen Sie, wie die Ministerpräsidenten von Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, dem Saarland oder Thüringen derzeit heißen? Und selbst wenn: Wer weiß denn noch, wofür diese Leute stehen? Da sehnt man sich sogar nach Politikern vom Schlage Stoiber zurück. Sie brachten das nötige Salz in die derzeit zu wässrige Suppe.
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