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Foto: YouTube-Video ARD. In dieser Millionenvilla soll der Bottroper angeklagte Apotheker der Alten Apotheke, Peter S. wohnen.

Foto: YouTube-Video ARD. In dieser Millionenvilla soll der Bottroper angeklagte Apotheker der Alten Apotheke, Peter S. wohnen.

Die deutschsprachige Sektion der 2017 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten „International Association of Lawyers against Nuclear Arms“ (IALANA), vergibt gemeinsam mit der „Vereinigung Deutscher Wissenschaftler“ (VDW; nicht zu verwechseln mit dem Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken) einen Whistleblower-Preis.

Am 1. Dezember 2017 soll der Preis in diesem Jahr an den Dipl.-Volkswirt Martin Porwoll sowie
die Pharmazeutisch-technische Assistentin (PTA) Maria-Elisabeth Klein aus Bottrop vergeben werden.

Die Preisverleihungen findet am 1. Dezember 2017 in Kassel statt.

Zur Begründung für den Whistleblower-Preis geben die beiden Vereinigungen an:

„Ohne das Whistleblowing von Martin Porwoll und Maria-Elisabeth Klein wären Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei nicht einmal nachträglich in der Lage gewesen, dem gravierenden Verdacht durch den Inhaber der ‚Alten Apotheke’ in Bottrop begangener schwerer Straftaten nachzugehen und entsprechende Ermittlungen durchzuführen, Beweise zu sichern und schließlich Anklage zu erheben, über die seit dem 13.11.2017 das Landgericht Essen verhandelt.“ (1)

Die Alte Apotheke in Bottrop sei seit 150 Jahren „die erste Apotheke am Platz“, führte im Juni 2017 das NDR-Magazin Panorama in der ARD dazu aus. Das gutklingende Motto der Apotheke lautete auf einem Flyer aus dem Jahr 2010 „Weil Gesundheit ein Geschenk ist“. (2) Ausgerechnet möchte man sagen.

Der verdächtige Apotheker Peter S. sei „ein Multimillionär“ der alleine in einer riesigen modernen Villa wohne, sagt die ARD. (3) Die Villa dürfte nach unserer Einschätzung Millionen kosten (unser Foto zu Textanfang stellt ein Screenshot da basierend auf einem YouTube- Video des ARD-Beitrages). 

In der Erklärung zum Whistleblower-Preis erklären IALANA und VDW wonach die beiden Whistleblower das ganze Ausmaß der verdächtigten möglichen „Krebsmittel-Panschereien“ in der betroffenen Apotheke durch ihre Hinweise öffentlich gemacht hätten. Damit hätten die beiden Whistleblower Staatsanwaltschaften in die Lage versetzt, Ermittlungen in 3000 bis 5000 Fällen zu starten. Betroffen von möglichen Panschereien seien Bürger in sechs Bundesländern.

Zudem würdigen die beiden Vereinigungen, wonach ohne die Apotheken-Whistleblower sich die bisherige Praxis der mangelnden staatlichen Apothekenaufsicht nicht würde ändern lassen.

Was nichts anderes heißt, als dass der vor Gericht verhandelte mögliche Skandal erst die Politik in die Spur gebracht hat und damit Versäumnisse von Gesundheitspolitikern, Apothekenaufsichten, auch der Kassenärztlichen Vereinigung.

Staatlich vorgeschriebene Apothekenaufsicht ein  Rohrkrepierer

Besonders kritikwürdig sei, so die „International Association of Lawyers against Nuclear Arms“ (IALANA) und die „Vereinigung Deutscher Wissenschaftler“ (VDW), dass sich bislang die staatlichen vorgeschriebenen Apothekenaufseher auch in sogenannten Cyto-Apotheken vorher noch groß angekündigt hätten.

Der Nachteil sei hier, dass eine Kontrolle so ad absurdum geführt werde, da es vorhersehbar werde.

Dies führe dazu, dass bislang ohne Hinweise von Insidern die Strafverfolgungsbehörden Betrug oder sonstige illegale Aktivitäten nicht auf die Schliche kommen könnten.

Unter Cyto, bekannt auch als Zytostatika oder Zytostatikum, versteht man in Deutschland Apotheken, die Medikamente selber herstellen, also anrühren dürfen. Viele dieser Apotheken werden beispielsweise im „Verband der Zytostatika herstellenden Apotheker und Apothekerinnen e.V.“ (VZA) vertreten.

Der VZA kritisierte bereits 2012, wonach vor allem Ausschreibungen dazu führten, dass es Machenschaften rund um selbst hergestellte Krebsmedikamente in der Apothekerszene gebe. Damit reagierte der Verband der Zytostatika herstellenden Apotheker und Apothekerinnen auf damalige staatsanwaltliche Ermittlungen. (4)

Auch 2016 war das Thema wieder auf der Tagesordnung und zwar bei der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e.V. So schickte die ABDA am 16. September 2016 eine Pressemitteilung heraus unter der Schlagzeile „Ärzte und Apotheker fordern Ende der Ausschreibungen für Krebsmedikamente“. (5)

ALANA und VDW monieren, dass die Apothekenaufsicht angeblich „in aller Regel auf eine zumindest stichprobenweise Produkt-Kontrolle und Untersuchung von in den Cyto-Apotheken fertiggestellten Zytostatika-Präparaten“ bislang (wohl überwiegend) verzichtet haben soll.

Da in Deutschland fast jede Apotheke irgendein Medikament anrührt, darf davon ausgegangen werden, dass unter den circa 20.000 deutschen Apotheken, Tausende das Geschäft mit eigenen Medikamenten verfolgen. Was gleichzeitig die Schwierigkeit offenbart, all das zu kontrollieren.

Krebsmedikamente sollen nicht mehr von Apotheken angerührt werden

Auch deshalb, so ALANA und VDW, stelle sich die Frage, „ob es überhaupt richtig oder zumindest vertretbar“ sei, dass ausgerechnet selbstgemischte Krebsmittel-Therapien „bei privaten Cyto-Apotheken mit ihren spezifischen Gewinninteressen“ angesiedelt seien.

Diese Frage habe deshalb nun eine Jury von VDW und IALANA an den SPD-Bundestagsabgeordneten und Tausendsassa im Gesundheitswesen, an Prof. Dr. Karl Lauterbach geschickt und um eine Stellungnahme gebeten.

Anwälte des Apothekers weisen Vorwürfe zurück

Apotheker Peter S., dem Panscherei mit Krebsmedikamenten vorgeworfen wird, habe sich bislang nicht selber zu den Vorwürfen gemeldet, beziehungsweise würden seine Verteidiger Vorwürfe zurückweisen, schreibt die WAZ, Westdeutsche Allgemeine Zeitung aus Essen:

„117 fertige Arzneien waren aber bei der Razzia am 29. November 2016 sichergestellt worden. Wie Analysen im Landeszentrum Gesundheit (LZG) und im Paul-Ehrlich-Institut (PEI) ergaben, enthielten zahlreiche dieser Präparate nur wenige oder gar keine Wirkstoffe…. S. selbst (Anmerkung Red.: Den Namen haben wir abgekürzt) äußert sich bislang nicht. Seine Verteidiger behaupten dagegen, dass die Analysen nicht korrekt durchgeführt wurden.“ (6)

Auch correctiv.org schreibt zum Thema: (7)

„Die Anwälte von S. selbst (Anmerkung Red.: Den Namen haben wir folgend in den correctiv-Absätzen abgekürzt) bezweifeln, dass die Untersuchungen der beschlagnahmten Infusionen, die vom LZG und dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) durchgeführt wurden, als Beweis genutzt werden können. Anders gesagt: S.‘ Anwälte wollen die Aussagen des Apothekers Luchte zu Fall bringen. Sie stützen sich dabei auf ein Gutachten von Fritz Sörgel. Der Professor vom Institut für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung in Nürnberg hat sich zu den Untersuchungsergebnissen des LZG und des PEI kritisch geäußert. Und Sörgel ist nicht irgendwer. Er ist eine international geachtete Koryphäe und bekannt wegen seiner Einschätzung zu Dopingkontrollen.“

Weiter führt correctiv.org aus.

„Die Anwälte von S. interpretieren in Sörgels Gutachten viel hinein und nutzen es für die generelle Behauptung, dass die Analysen der beschlagnahmten Krebszubereitungen durch das PEI und LZG unbrauchbar seien. S.‘ Anwälte behaupten, es gebe keine Versuchsmethode, mit deren Hilfe die Dosierung der Krebsmittel in Zubereitungen nachgewiesen werden könne. Das klingt erst einmal wie ein Fallbeil für die Vorwürfe der Anklage…. Dabei zielt Pharmazeut Sörgel auf etwas ganz anderes. Nach Informationen, die CORRECTIV vorliegen, verweist der Fachmann lediglich auf formale Mängel im Untersuchungsbericht des LZG und PEI.“

Die Stellungnahme von Politiker Lauterbach zum Bottroper Cyto-Apotheken-Fall laute wie folgt:

Karl Lauterbach kritisiert, wonach der Bottroper Fall eines Apothekers „ein wichtiges Systemversagen“ zeige. In keinem Bereich der Medizin werde „mit so hohen Gewinnmargen gearbeitet wie in der Krebsmedizin“.

Einzelne Apotheken machten „mit Chemotherapeutika dreistellige Millionenumsätze“. Betrüger könnte so „leicht Millionengewinne machen“.

Daraus ergebe sich politischer Handlungsbedarf, so Lauterbach:

„Aus meiner Sicht sollte die Krebstherapie in die Krankenhäuser verlagert und das System der Schwerpunkt-Apotheken und niedergelassenen Krebsärzte an die Krankenhäuser angebunden werden. Das System ist gegen Betrug schwer zu sichern und darüber hinaus anfällig für große Qualitätsdefizite.“

Chemotherapeutika sollten ausschließlich in Krankenhäusern beziehungsweise in Krankenhausapotheken zubereitet werden, fordert der SPD-Gesundheitspolitiker weiter. Dort herrsche „das Mehraugenprinzip“.

Zudem seien „die finanziellen Anreize mit Aussichten auf Millionengewinne… für einen privaten Geschäftsmann andere als für einen angestellten Krankenhausapotheker“, welcher die Aufgabe quasi als Treuhänder wahrnehme.

Hinzukommen kämen „gewichtige Argumente im Hinblick auf die Versorgungsqualität“. Die Chemotherapie werde „in ihrer Durchführung in allen Schritten von der Wahl der Medikamente bis zur Zubereitung zunehmend komplizierter“ und die Medikamente selbst würden immer teurer.

Dies im niedergelassenen Bereich zu belassen sei deshalb falsch, so Lauterbach: Vielmehr handele es sich hier um klassische Krankenhausarbeit. Dafür bedürfte es spezialisierte Zentren wie etwa Universitätskliniken oder anderen Kliniken, welche auf die Krebsbehandlung entsprechend vorbereitet seien und hochspezialisierte Teams vorhielten.

Kontrolle in Krankenhäusern statt Millionengewinne im Milliardengeschäft der Krebs-Therapien

Zudem könne „in solchen Kliniken auch von wirklicher Qualitätskontrolle gesprochen werden“. Dies sei gänzlich anders, als bei Schwerpunkt-Apotheken, „bei denen die in der Regel angekündigten Stichprobenkontrollen offenkundig fatal unzulänglich“ seien. Dies gelte auch für „niedergelassenen Onkologen und Hämatologen“.

Bei diesen habe, so Lauterbach, „ausgerechnet die Kassenärztliche Vereinigung die Kontrollhoheit“. Diese Instanz habe aber selber einen „eher zweifelhaftem Ruf“, und bedürfte „selbst intensiver Kontrolle“.

Video-Verweis: „Unterdosierte Krebsmedikamente: Lebensgefahr | Panorama | NDR“, von: ARD, in: YouTube vom 30. Juni 2017.

Mangels entsprechender Untersuchungen lägen derzeit, moniert Lauterbach, leider „keine Informationen über andere Vorfälle ähnlich dem in Bottrop vor.“ Weitere Fälle seien „aber nicht auszuschließen“:

„Politisch reagiert werden muss daher auf die Verunsicherung der Patienten. Viele Patienten wissen nicht, ob sie betroffen sein könnten, sie die betroffene Chemotherapie aus der Bottroper Apotheke erhalten haben oder nicht und ob die Dosierung möglicherweise nicht gestimmt hat.“

Landesgesundheitsministerien in der Kritik

Insbesondere die Landesgesundheitsministerien seien nun in der Pflicht, „alle Betroffenen vollumfänglich zu informieren und aufzuklären“. Das habe eigentlich „längst geschehen müssen“.

Möglich sei dies selbst „unter Berücksichtigung des Datenschutzes“.

Im Fall der Vorkommnisse in Bottrop sei „die Informationspolitik des NRW-Ministers Laumann bislang desaströs“. Gemeint ist der gelernte Maschinenschlosser Karl-Josef Laumann, der in Nordrhein-Westfalen für die CDU Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales ist. (8)

Das Argument, auf Grund des Datenschutzes dürfte man nicht an Patientinnen und Patienten herantreten, wie es Minister Laumann und die Ärztekammer behaupteten, sei, so Lauterbach, vorgeschoben und schütze im Falle möglicher gepanschter Krebsmedikamente niemanden.

Würde man sich hier endlich bewegen, „könnten gegebenenfalls Patienten, bei denen die Chemotherapie nicht oder nicht ausreichend gewirkt“ habe, „durch Aufklärung profitieren, indem sie nachbehandelt würden, wenn klar wäre, dass sie betroffen seien.“

Es gehe deshalb, so Karl Lauterbach, „bei weitem nicht nur um die Schuldfrage“.

Verantwortliche für den Whistleblower-Preis

Die Erklärung zum diesjährigen Whistleblower-Preis war unterzeichnet worden von VDW-Vorstand Prof. Dr. Hartmut Graßl (Klimaforscher) und für die IALANA von den Vorständen Rechtsanwalt Otto Jäckel. Für eine gemeinsame Jury zeichnete Dr. Dieter Deiseroth (Bis 2015 Richter am Bundesverwaltungsgericht).

Weitere Hintergründe

Weitere Hintergründe zum Whistleblower-Preis, beziehungsweise dem Whistleblower-Preis – IALANA, hier klicken.

Weitere Hintergründe zur „Alte Apotheke Peter Stadtmann e. K.“ in dem Beitrag „Einblick in die Alte Apotheke“ von „wir-lieben-bottrop.de“ vom 14. April 2016 (Autor: Bröhli).

Einzelnachweise

(1) WhistleblowerPreis 2017, Gemeinsame Presseerklärung von VDW und IALANA vom 15. November 2017. Abgerufen am 26. November 2017.

(2) Liebe Kundinnen, Lieber Kunde, Werbeflyer der „Alte Apotheke“ zur Spendenaktion „Bottrop beweg Dich“ aus dem Jahr 2010.

(3) Unterdosierte Krebsmedikamente: Lebensgefahr | Panorama | NDR, von: ARD, in: YouTube vom 30. Juni 2017.

(4)  Verbot von Zytostatika-Ausschreibungen schützt vor Machenschaften, Pressemitteilung von „Verband der Zytostatika herstellenden Apotheker und Apothekerinnen e.V.“ (VZA) vom 12. April 2012

(5) Ärzte und Apotheker fordern Ende der Ausschreibungen für Krebsmedikamente, Pressemitteilung der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e.V. vom 7. September 2016.

(6) Apothekerprozess: Gericht prüft Qualität der Arzneianalyse, von Stefan Wette, in: WAZ Westdeutsche Allgemeine Zeitung vom 22. November 2017. Abgerufen am 26. November 2017.

(7) Alte Apotheke: Kampf um Gutachten. Streit um wissenschaftlichen Nachweis von gestreckten Krebsmitteln, von Cristina Helberg, Marcus Bensmannin, in: correctiv.org vom 21. November 2017. Abgerufen am 27. November 2017.

(8) Karl-Josef Laumann, Mitglied des CDU-Präsidiums in NRW.

Weitere Hintergründe

Der angeklagte Bottroper Apotheker Peter S. von der „Alte Apotheke Peter Stadtmann e. K.“ in einem Beitrag des vom NDR für die ARD produzierten Polit-Magazins Panorama, der auf YouTube abrufbar ist HIER ANKLICKEN.

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