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Bericht tödlicher Bundswehrsoldaten-Kollaps in Munster ohne Schuld von Führungskräften

VonPeter Patzow

Sep 1, 2017 #featured

Bundeswehr das bedeutet oft Hochleistungssport und ist nicht für jeden etwas. (Bild: Bundeswehr / Presse über flickr.com).

Bundeswehr das bedeutet oft Hochleistungssport und ist nicht für jeden etwas. (Bild: Bundeswehr / Presse über flickr.com).

Kommentar – Es ist der Horror einer jeden Bundeswehr-Führungskraft und auch der Soldaten: Dass ein Mit-Soldat auf dem Feld während einer sportlichen Übung kollabiert und stirbt.

Doch genau mit so einem tragischen Trauerfall muss sich die Bundeswehr und auch das Verteidigungsministerium in Berlin derzeit auseinandersetzen. Kürzlich räumte die Bundeswehr nämlich ein, dass während eines Trainings in Norddeutschland ein junger Soldat tödlich während einem Fußmarsch kollabiert ist.

Die Bild-Zeitung berichtet, wonach der Abschlussbericht ergeben habe, dass es zu Verfehlungen auf Seiten der Bundeswehrführung gekommen sei. (1) So habe es „mehrere Fehlentscheidungen der Führungskräfte, darunter eine vorschriftswidrige Handlung“ gegeben. Dies habe eine „interne Untersuchungsgruppe“ in ihrem „vorläufigen Abschlussbericht“ festgestellt.

In der Presseerklärung der Bundeswehr vom 1. September entnehmen wir aber etwas differenzierter: (2)

„Das Zusammenbrechen von vier Offizieranwärtern im Juli am Ausbildungszentrum Munster und der Tod eines der Soldaten bleiben rätselhaft. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen lobte die Arbeit der Untersuchungsgruppe, die trotz des sorgfältigen Vorgehens keine eindeutige Ursache für den tragischen Vorfall finden konnte. Jetzt gehe es darum, das Risiko einer Wiederholung des tragischen Geschehens in Zukunft vermindern, so von der Leyen.“

Weiter kommt die Pressemitteilung zu dem Fazit:

„… Die Untersuchungsgruppe hat am 31. August ihren vorläufigen Abschlussbericht zu den Vorkommnissen am Ausbildungszentrum Munster vorgelegt. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt könne auch weiterhin keine eindeutige Ursache für die Häufung von Hitzschlägen benannt werden. Vielmehr verdichte sich ‚das Gesamtbild, dass in jedem Einzelfall eine ungünstige Verkettung von Umständen und Faktoren vorgelegen hat‘.“

Auch der Umstand, dass es zu vereinzelten Verstößen von Vorschriften gekommen sei, sei nicht ursächlich, so die Untersuchungs-Kommission.

So steht in dem vorläufigen Abschlussbericht: „.. dass in Vorbereitung und Verlauf der Ausbildung mehrfach nicht sachgerechte – in einem Fall auch weisungs-/vorschriftenwidrig – Entscheidungen getroffen und Maßnahmen angewandt wurden“ sei „vorbehaltlich der strafrechtlichen Bewertung… aus derzeitiger Sicht für sich gesehen nicht singulär ursächlich für die tragische Entwicklung“. (3) 

Am 19. Juli 2017 waren bei sommerlichen Außentemperaturen vier Soldaten eines Ausbildungszuges der 2. Kompanie des Offizieranwärterbataillons 1 im Rahmen der Ausbildung des Offizieranwärterlehrganges kollabiert.

Einer der Soldaten war am 29. Juli in einem Universitätsklinikum verstorben. Ein weiterer Soldat befinde sich, so das Verteidigungsministerium, derzeit noch in einem kritischen Zustand und werde intensivmedizinisch behandelt. Die anderen beiden Soldaten hätten bereits am 2. August das Krankenhaus wieder verlassen können. Sie absolvierten aber vorsorglich immer noch eine Anschlussheilbehandlung.

Es ging um jenen ominösen heißen 19. Juli 2017. Damals hatten Soldaten einen angeblichen „Strafmarsch“ (Bild-Zeitung) von sehr überschaubaren sechseinhalb Kilometern laufen müssen und zwar im niedersächsischen Heidekreis Munster. Ein Landkreis der nicht gerade für tropische Hitze bekannt wäre.

Die Bild-Zeitung schreibt zwar von einem „brachialen“ Strafmarsch. Doch was soll das sein? Die Fakten die bislang bekannt sind, deuten jedenfalls nicht auf einen „brachialen“ Marsch hin. Vielmehr auf eine Strecke, die selbst ungeübte Zivilisten durchaus in einem überschaubaren Zeitrahmen laufen können.

Blick zurück: Am Tag des Bundeswehrlaufs in Munster lag laut wetter.de die Höchsttemperatur des Tages bei 27,9 Grad Celsius. Hinzu kam ein durchaus angenehmes Lüftchen von 15 Stundenkilometern. (4)

Zum Vergleich: Beim B2RUN Firmenlauf im Baden-Württembergischen Karlsruhe am Dienstag den 20.06.2017 abends gegen 18 Uhr betrug die abendliche Temperatur immer noch gut 30 bis 31 Grad Celsius. (5) (6)

Dieser Marsch war in seiner Länge von 6,1 Kilometern durchaus mit jener Strecke der Bundeswehr vergleichbar. Natürlich mit einem wichtigen Unterschied: Die Läufer mussten nicht auch noch schweres Gepäck tragen und konnten zudem in kurzen Hosen und leichter Kleidung laufen.

Für einen Zivilisten außergewöhnlich ist sicherlich auch, dass zusätzlich zum Bundeswehr-Run Liegestützen vereinzelt hätten absolviert werden müssen, heißt es. (1)

Dennoch: Laut historischem Rückblick von wetteronline.de lag damals die Höchsttemperatur in Karlsruhe am Tag des Firmenlaufs sogar bei 34 Grad Celsius. (6)

Immerhin 8.200 Teilnehmer aus 400 Unternehmen hatten sich zum B2BRund in Karlsruhe 2017 eingetragen. Das vermeldete ka-news.de in seinem Artikel „B2Run in Karlsruhe: Teilnehmerrekord und Hitzeschlacht„. (5)

Nach dem Lauf hatten Tausende erschöpfte Läufer auf der After-Run-Party im Wildparkstadion gefeiert.

„Ich habe das ganze Jahr über nicht einmal laufen geübt und habe die Strecke über 6,1 Kilometer trotzdem in 36 Minuten geschafft“, sagt ein 43-jähriger Mitläufer. (Streckenlänge Fußnote 6)

Neben dem verstorbenen Soldaten der Bundeswehr in Munster seien an jenem tragischen Übungstag drei weitere Bundeswehrler während des Laues kollabiert, wie die Bundeswehr schreibt.

Fakt ist aber auch: Wer zur Bundeswehr geht, weiß, dass eine Armee keine körperliche Erholungstruppe ist. Wer da Herz-Kreislauf-Schwächen hat oder eher untrainiert ist, ist eher nicht für die Armee geeignet.

Wir bedauern ebenfalls zutiefst den Tod des jungen Offiziersanwärters von Munster. Nur gilt natürlich auch, dass jeder selbst Verantwortung für sich übernehmen muss und erkennen muss: Wann geht es körperlich einfach nicht mehr und wann muss ich passen und eine Übung abbrechen? Dieses Prinzip gilt gerade auch für eine Armee.

Umgekehrt gehört es natürlich zur Aufgabe einer Führungskraft zu erkennen, wann möglicherweise eine Grenze körperlich überschritten ist und eine Übung für eine Person eher ungeeignet ist.

Aber auch das ist die Wahrheit: Gerade beim längeren Marschieren ist ein solches Erkennen der Leistungsfähigkeit von Mitläufern selbst bei sorgfältiger Beobachtung der Mitläufer eher unmöglich. Das kann nur der Betroffene selbst erkennen und muss dann handeln. Die Schuld hinterher einer Führungskraft in die Schuhe zu schieben, kann schäbig sein.

Doch mit einem abschließenden Urteil müssen auch wir uns zurückhalten, da auch wir nicht beim Bundeswehr-Lauf in Munster waren. Wir appellieren aber an dieser Stelle an alle Bundeswehrler:

Achtet auf euch und hört in euch hinein und seid ehrlich zu euch, was ihr könnt und was nicht. Die Karriere ist nicht alles im Leben. Auch nicht bei der Bundeswehr.

Hintergrund:

In einer Presseerklärung hatte das Verteidigungsministerium am 2. August 2017 folgende Stellungnahme publiziert:

„Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat zur Aufklärung des rätselhaften Todes eines Offiziersanwärters, der bei einem Fußmarsch im niedersächsischen Munster unvermutet zusammengebrochen war, eine bundeswehrinterne Untersuchungsgruppe eingesetzt. Auch die Staatsanwaltschaft Lüneburg prüft den Fall.

Der Inspekteur Heer sowie der Inspekteur des Zentralen Sanitätsdienstes der Bundeswehr wurden beauftragt, die Ausbildungsbedingungen sowie die medizinischen Einflussfaktoren zu dem Fall zu untersuchen.

Ein Offizieranwärter des Offizieranwärterbataillons 1 ist am 29. Juli im Krankenhaus verstorben. Er war am 19. Juli nach einem Fußmarsch im Standortbereich Munster bewusstlos zusammengebrochen. An diesem Tag brachen bei der praktischen Ausbildung drei weitere Soldaten zusammen, die sich derzeit in medizinischer Behandlung im Krankenhaus befinden.

Ursula von der Leyen hat den Angehörigen des toten Soldaten bei einem Aufenthalt in Mali ihre tiefes Mitgefühl ausgesprochen. Es sei „unendlich traurig, wenn ein so junger Mensch stirbt, der noch sein ganzes Leben vor sich hatte“. Die ungeklärten Ursachen des Todesfalls bezeichnete sie als „zutiefst bedrückend“ und kündigte eine Untersuchungsgruppe an. „Ich lasse mich täglich über den Stand der Untersuchungen – auch hier in Afrika – unterrichten“, sagte die Ministerin. Den Soldaten, die sich noch in Behandlung befinden, wünschte sie Genesung.“ (8)

Einzelnachweise

(1) „NACH DEM TOD EINES OFFIZIERSANWÄRTERS: Bundeswehr gesteht Fehler. Von der Leyen: Noch keine klare Ursache sichtbar„, auf bild.de am 01.09.2017.

(2) „Kollabierte Soldaten: ‚Die Ursachen genau analysieren‚“, Pressemitteilung des Bundesverteidigungsministeriums vom 01.09.2017.

(3) „1. Aktualisierung: Kollabierte Soldaten – vorläufiger Abschlussbericht vorgelegt„, Mitteilung des Bundeswehr vom 31.08.2017.

(4) „Wetterrückblick der Region Munster„, auf: wetter.de.

(5) „B2Run in Karlsruhe: Teilnehmerrekord und Hitzeschlacht„, in ka-news.de vom 20.06.2017. Abgerufen am 01.09.2017.

(6) „Wetter im Rückblick. Wetterstation Rheinstetten“ auf: wetteronline.de.

(7) „Streckenlänge von ca. 6,1 km – für jeden machbar„, auf b2run.de.

(8) „Verstorbener Offizieranwärter: Untersuchungsgruppe eingerichtet„, Pressemitteilung des Bundesministeriums der Verteidigung vom 02.08.2017.

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