• Do. Apr 18th, 2024

Türkische Waffen an Terrorbanden? Chefredakteur Can Dündar zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt

Würde er sich im Grab rumdrehen:? Der türkische Staatsgründer Kemal Atatürk. Hier sein Mausoleum in der türkischen Haupstadt Ankara.

Würde er sich im Grab rumdrehen:? Der türkische Staatsgründer Kemal Atatürk. Hier sein Mausoleum in der türkischen Haupstadt Ankara.

Dass die Türkei knietief im Terror von Syrien mit drin stecken könnte, darüber gibt es seit Jahren zahlreiche Berichte. Neu war, dass auch türkische Medien darüber recht unverhohlen berichteten.

Doch genau das kostet nun einem türkischen Journalisten – dem prominenten Chefredakteur der Cumhuriyet-Tageszeitung – eine sechsjährige Haftstrafe. Mit dem Gerichtsurteil habe sich die Türkei einmal mehr von üblichen demokratischen Gesellschaften verabschiedet, monieren Kritiker.

Die türkische Regierung greift in ihrem Argument, warum sie für den beschuldigten Journalisten Can Dündar für eine sehr lange Haftstrafe von sechs Jahren plädiere, in die übliche Trickkiste von Unrechtsstaaten. So argumentiert sie, der prominente Journalist Can Dündar habe nicht seine Chronistenpflicht erfüllt, als er über türkische Waffenlieferung an Terrorbanden in Syrien berichtete. Vielmehr habe er einen Landesverrat begangen, behauptete ein staatlich angestellter Richter in Istanbul angesichts der Urteilsverkündung.

Dass das Gericht nun ein besonders hartes Urteil gegen den Journalisten ausgesprochen hat, beruht auf der Tatsache, dass Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan persönlich Anzeige wegen angeblichem Geheimnisverrat gestellt hatte. Zudem argumentierte die Regierung, sie habe angeblich „keine bewaffneten terroristischen Organisationen“ beliefert. Vielmehr habe man lediglich „Aufklärungsmaterial“ – was immer man darunter auch zu verstehen hat – geliefert.

Egal, wie sich die türkische Regierung nun vor Gericht windet: Das ganze Verfahren zeigt, dass Regierungschef Erdogan möglicherweise tatsächlich Terrorbanden in Syrien staatlich militärisch unterstützten lässt, welche sich zum Ziel gesetzt haben, die syrische Regierung von Baschar al-Assad, 50, zu stürzen. Neben Erdogan wurde vor Gericht der türkische Geheimdienst MİT (Millî İstihbarat Teşkilatı) als Nebenkläger zugelassen.

Der Anwalt des nun verurteilten Journalisten, Bülent Utku, möchte in Berufung gehen. Allerdings gelten seine Erfolgsaussichten unter dem Regime Erdogan als eher gering.

Endgültig der Unglaubwürdigkeit preis geben sich türkische Gerichte angesichts der Tatsache, dass das Gericht in Istanbul nun auf Antrag eines Staatsanwalts ein weiteres Verfahren gegen den verurteilten Journalisten Can Dündar eröffnen möchte.

Da der bekannte Journalist Beweisfotos von einem Truck-Konvoi veröffentlich hatte, welcher härtestes militärisches Gerät nach Syrien lieferte (Red. Anmerkung: wahrscheinlich zu den dortigen Terrorbanden), habe sich der Journalist der Unterstütztung von Terrogruppen schuldig gemacht, behauptet die Staatsanwaltschaft.

Eines wird aber angesichts solcher Verfahren immer deutlicher: „Von Reisen in die Türkei sollte man erst einmal gänzlich absehen“, sagt ein Berliner Bundestagsabgeordneter. Zu groß sei die Gefahr, selbst Opfer des Erdogan-Regimes zu werden.

Wie es derzeit um die Türkei steht, zeigt sich daran, dass ein Killer während des Gerichtsprozesses versucht hatte, den Journalisten Can Dündar zu erschießen. Zwar hatte der Gerichtspräsident diesen Anschlag aufs schärfste verurteilt, aber geändert hat dies nichts an der Tatsache, dass es überhaupt möglich war. Und viele fragen sich: Wer hatte ein Motiv für diesen versuchten Mordanschlag, um mit dem Finger auf die Regierung zu zeigen.

Cumhuriyet ist eine türkische überregionale Tageszeitung, deren Redaktions-Stammsitz in Istanbul ist. Die Zeitung gilt als links-kemalistisch und wurde im Jahr 1924, zu Zeiten der Aufklärung in der Türkei, gegründet. Damit gehört diese Tageszeitung, die es aber nur auf eine recht überschaubare tägliche Auflage von rund 75.000 Exemplaren bringt, zu den ältesten in der Türkei.

Kommentar

Wenn der türkische Staatspräsident Erdogan dem jetzt verurteilten Chefredakteur vorwirft, er habe angeblich „Staatsgeheimnisse“ verbreitet, so irrt er damit zumindest für den Fall, dass sich die Türkei noch als „Demokratie“ bezeichnet.

Denn wenn ein Staat heimlich Terrorgruppen in einem Nachbarstaat aufrüstet, und damit den Weltfrieden seit Jahren gefährdet, darf so etwas nicht unter den Teppich gekehrt werden. Es ist sogar vornehmlichste Aufgabe, über solche unseriösen und völkerrechtlich auch illegalen Dinge zu berichten.

Dass Erdogan ein politisches Schwein erster Klasse im negativen Sinne ist, haben wir immer und immer wieder erfahren müssen. Dieses Kapitel ist ein weiteres. Das Schlimme an Erdogans Verhalten ist, dass er damit tyrannisches Vorbild für andere Staatsführer ist.

Er ist ein Vorbild darin, die so hart in Jahrhunderten erkämpften Bürgerrechte, Freiheitsrechte, ja selbst Staatsrechte innerhalb einer Demokratie Stück für Stück zu demontieren und kaputt zu machen. Erdogan ist das klassische Beispiel eines schwachen mittelmäßigen Staatsführers.

Ähnlich wie im Falle von mittelmäßigen Managern, können solche Typen nur über ein Klima der Angst und Verzweiflung herrschen. Nicht aber über Größe, Kompetenz und Vorbildfunktion. Dass Erdogan über eine Mehrheit im Parlament verfügt, beeindruckt nicht. Wer mit Terroranschlägen gegen politische Gegner, Bombenangriffen, ja Kriegsführung gegen Kurden, seine politischen Gegner eliminiert, kommt immer irgendwie zu Mehrheiten.

Erdogan ist derzeit dabei, vieles, was er positiv aufgebaut hat, selbst wieder einzureißen. Erdogan wird in die Geschichtsbücher der Türkei eingehen als ein tyrannischer Staatslenker.

Nicht aber als einer, der sein Land nach vorne gebracht hat. Daran ist er nun selber schuld. In der Weltgeschichte wird Erdogan keinen Platz finden. Man wird ihn irgendwann vergessen. Den Schwamm des peinlichen Vergessens über ihn legen. Einen Platz neben Attatürk hat Erdogan sicherlich nicht. Selbst wenn er sich ein Mausoleum bauen lassen sollte.

Das Adsurde an der Geschichte des Mannes vom Bosporus ist, dass er eigentlich mal sehr erfolgreich angetreten war, sein Land weiter zu modernisieren.  Doch gerät dies immer mehr zu Schall und Rauch. Entsprechend können Erdogans unzweifelhaften wirtschaftlichen Erfolge über seine tyrannische Art, die nun Stück für Stück bei ihm durchbricht, nicht mehr hinwegtäuschen.

Erdogan gehört in die Kategorie jener Politiker, die, je länger sie an der Macht kleben, diese korrumpieren und vergewaltigen. Es ist ein ekelhaftes Schauspiel, das noch viele Opfer kostet.

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Von Redaktion

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