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Angriff auf Telegram ist albern: Bundeszentrale für politische Bildung und jugendschutz.net schießen übers Ziel

VonTom

Nov 28, 2016 #featured

Telegram ist eine Bereicherung und keine Last für eine Demokratie.

Telegram ist eine Bereicherung und keine Last für eine Demokratie.

Kommentar – Mit Telegram gibt es endlich einen Messenger, den Millionen Menschen nutzen, um verschlüsselt entsprechend des Rechts auf das Telekommunikationsgeheimnis zu kommunizieren.

Nun bläst die Bundeszentrale für politische Bildung mit einem von ihr mitfinanzierten Portal – jugendschutz.net – zum Großangriff ausgerechnet gegen Telegram, einen Messenger, welcher endlich mal nicht aus den USA kommt und nicht Facebook, WhatsApp, Twitter oder Instagram heißt und entsprechend kein US-Monopolist ist.

Die Kritik der Bonner Apostel an Telegram lautet: Telegram weigere sich angeblich Inhalte zu löschen, welche „islamische Propaganda“ im Netz darstellten und „Hasspropaganda“, beziehungsweise „menschenverachtend“ seien.

Nicht bekannt ist, ob es überhaupt richterliche Beschlüsse zu den Löschanträgen gibt. Jedenfalls bringt sich derzeit Stefan Glaser, stellvertretender Leiter der Bundeszentrale für politische Bildung ins Gespräch mit seinem Ansinnen, Telegram müsse „menschenverachtende Beiträge konsequent löschen“.

Dies sei notwendig, so die Bundeszentrale für politische Bildung, um Propaganda des „Islamischen Staates“ zu verhindern. Angeblich würden über Telegram 12-Jährige als Henker und Kämpfer inszeniert, um neue Anhänger zu gewinnen, moniert die Bonner Staatszentrale.

So weit, so flach. Denn Fakt ist: In YouTube gibt es seit bald zehn Jahren geschätzt Hunderttausende solcher Videos, die Hasspropaganda verbreiten, Volksverhetzung, Diskriminierung anderer, ja zum Sturz von Demokratien aufrufen. Hinter YouTube steht Google und dahinter wiederum die US-Holding Alphabet.

Seltsamerweise gibt es an YouTube deutlich weniger Kritik, wonach das Portal beispielsweise einseitig Propaganda verbreite zu Gunsten von ISIS. Grund: Es ist Common Sense, dass YouTube gerade ein Portal sein soll, über welches alles verbreitet werden kann, was nicht grob sexuell jugend- oder kindheitsgefährdend ist.

Erst Dank YouTube lernten wir überhaupt IS kennen und zwar jenseits von der Propaganda, welche ARD und ZDF täglich in ihren „Nachrichtensendungen“ verbreiten.

Fakt ist aber auch: Solche Videos pauschal zu verdächtigen, sie würden die Welt schlechter machen oder zu Hass beitragen, sind plumper einfältiger Unsinn.

Man könnte genauso gut argumentieren: Diese Art von Videos helfen überhaupt erst einmal, dass eine breite Öffentlichkeit erfährt, was IS ist, was IS macht und wie da vorgegangen wird. Insofern bildet YouTube ungemein und hilft Milliarden Menschen Gott sei Dank an Journalisten, Politikern oder staatlichen Propaganda-Stellen vorbei sich eine eigene Meinung bilden zu können.

Auch für die Wissenschaft stellen Videos vom Schlage IS eine ungemein wichtige Informationsquelle dar, für Journalisten, die Politik, aber auch Gerichte sowieso. Dass diese fanatischen Videos in ihrer Ausgeburt oft ekelhaft menschenverachtend sind, steht auf einem anderen Blatt. Doch Zensur hat noch niemals dumpfe Gewalt verhindert. Es ist immer die Ursache, die Anlass zur Sorge sein sollte. Ein Video oder ein Text ist häufig nicht die Ursache, sondern die Konsequenz aus tieferliegenden Problemen. Das gilt auch für IS oder ISIS.

Deshalb wäre es für YouTube genauso falsch, wie für Telegram, nun pauschal zu fordern, dass alles, was den Bonner Sittenwächtern oder jenen des schon vom Namen her staatstragend suggerierenden Portals „jugendschutz.net“ nicht gefällt, einem Löschprozess zu unterziehen.

Nach wie vor sollte das Grundgesetz und damit Gerichte – vor allem das Bundesverfassungsgericht, aber auch der Europäische Gerichtshof – als Maßstab dienen, ob Inhalte nun unter die freie Meinungsäußerung fallen, oder nicht.

Zu schnell wird heute auch von „Volksverhetzung“ oder „jugendgefährdenden Veröffentlichungen“ gesprochen. Manchmal so schnell, dass es seinerseits an Fanatismus erinnert.

Das ist gefährlich und kann und wird auch missbraucht. Ebenso unter Adolf Hitler gab es angebliche „Volksverhetzer“ – Kommunisten, SPDler oder Schwule. Sie landeten im KZ.

Deshalb: wir müssen und sollten damit leben, dass es eine freie Meinungsäußerung auch auf verschlüsselten Messengern wie Telegram gibt. Wir müssen und sollten damit leben, dass sich diese Messenger nicht immer gleich verbiegen lassen, wenn sie von Behörden angegriffen werden.

Telegram nun aber frontal anzugreifen, wird der Sache nicht gerecht. Dies vor allem auch deshalb nicht, da Telegram immer noch für 99,99% der rund 100 Millionen Nutzer vor allem eines ist: Ein Kanal, um am US-Dienst WhatsApp vorbei sich kurze Nachrichten und SMS zu schreiben. 99,9999% der Nutzer sind stinknormale Bürger, Akademiker, Studenten, Deutsche, Ausländer und zwar völlig terrorunverdächtig.

So wie die Bundeszentrale für politische Bildung gemeinsam mit dem von der Zentrale gesponserten Portal „jugendschutz.net“ nun vorgeht, ist es inakzeptabel.

Es fehlt eine transparente wissenschaftlich begründete Basis für diesen nun via Medien lancierten Generalangriff gegen den trotz allem so wichtigen verschlüsselten Messenger Telegram.

Unhaltbar ist es deshalb auch, wenn ein von Staatsgeldern subventionierter Mann, wie Thomas Krüger, der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, sind nun hinstellt und einfach davon redet, wonach das Verhalten von „Telegram“ angeblich in einem „unhaltbaren Zustand“ sei.

Falsch und in die Irre führend ist die Behauptung, wonach YouTube angeblich „besser“ agiere in der Zusammenarbeit mit Behörden. Eine substanziell und tiefgreifend „bessere“ Zusammenarbeit mit YouTube kann deshalb ausgeschlossen werden, da niemand auf diesem Globus einen Überblick haben kann, welche Videos überhaupt in welchem Ausmaß auf YouTube sind. Denn auf YouTube wird in über 200 Sprachen kommuniziert und es sind dort Milliarden Videos online. Obendrein ist die Reichweite von YouTube um Zehntausende Prozent höher, als jene von Telegram.

Deshalb sagen wir heute: Die Kritik an Telegram durch die Bundeszentrale für politische Bildung und jugendschutz.net ist viel Wind um relativ wenig.

Im Hinblick auf die Kritik an Telegram sind wir der Meinung: Die Staatsinstitution Bundeszentrale für politische Bildung schießt im Verbund mit dem durch zahlreiche staatlichen Stellen finanziertem Portal „jugendschutz.net“ übers Ziel hinaus. Beiden Institution steht es nicht zu, sich als oberste Zensurbehörden zu generieren. Politisch motivierte Angriffe gegen freie Messenger stellen aber den Versuch von Zensur dar.

Das darf, trotz des hohen Wunsches, die Welt besser zu machen, nicht sein. Zur Freiheit des Internets gehört die Freiheit von Messengern und deren Nutzung.

Wir sind froh, dass es Menschen gibt, wie den Russen Pawel Durow. Er ist ein jahrelanger ausgewiesener Kämpfer für Demokratie und Meinungsfreiheit, welcher sich seit langer Zeit ebenso mit russischen Staatsstellen anlegt.

Durow etablierte Telegram gerade wegen Staatsschnüffelei, wie es sie auch in Russland gibt. Dies und die Kritik von Edward Snowden waren die Hauptgründe, warum Durow mit Telegram eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung in Chats anbot. Dafür gebührt ihm unser großer Dank.

Wer nun pauschal behördlichen Schnüffel-Zugang zu Telegram fordert, der kann auch gleich fordern, dass über jedem Bett eine Webcam direkt ins Bundeskriminalamt gelegt werden muss, damit jedes Wort, welches gesprochen wird, staatstragend mitgeschnitten werden kann und jene, die da etwas falsches sagen, gleich entsorgt werden können.

Das bedeutet: Unsere Demokratie muss aufpassen, dass sie nicht zu einer Diktatur der Meinungen und Bewertungen durch Vertreter in staatlichen Stellen wird. Die Gefahr geht nicht von Telegram aus, sondern von solchen staatlichen Fanatikern.

Mit Blick auf Minderjährige gilt immer noch: Die Aufsichtspflicht haben die Eltern. Sie sollten die Möglichkeiten der Kommunikationssperren auf Handys oder Computern nutzen, wenn das Gefühl besteht, dass sich der Filius durch irre Propaganda-Videos negativ beeinflussen lässt.

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Von Tom

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