Kommentar – Christian Lindner, der FDP-Vorsitzende, kann gut aussehen. Wir denken nur an das ungewöhnliche Wahlplakat des Mannes, wie er in sich versunken im smarten Hemd nicht etwa den Wähler, seinen Auftraggeber anschaut, sondern gen Boden schweift.
Sein Blick gleitet auf dem Wahlplakat, das von Stuttgart bis Berlin metergroß an diversen Wänden klebte, etwas narzisstisch gen Nirgendwo.
Damals, kurz vor der Bundestagswahl im September 2017, hatte man noch die Hoffnung, Lindners Blick gleite wenigstens zu Höherem, ins Nirwana, und nicht in eine Sackgasse.
Nirwana sei, umschreibt den buddhistischen Begriff Wikipedia, das Folgende:
„Nirwana oder Nirvana… bzw. Nibbana… ist ein buddhistischer Schlüsselbegriff, der den Austritt aus dem Samsara, dem Kreislauf des Leidens und der Wiedergeburten (Reinkarnation), durch Erwachen (Bodhi) bezeichnet. Das Wort bedeutet ‚Erlöschen‘ (wörtlich ‚verwehen‘, von einigen Buddhisten auch aufgefasst als ‚erfassen‘ im Sinne von verstehen im Sinne des Endes aller mit falschen persönlichen Vorstellungen vom Dasein verbundenen Faktoren, wie Ich-Sucht, Gier, Anhaften (Upadana).“ [1]
Alles Dinge, welche einigen, nicht allen Politikern bekannt sein dürften: Diese Ich-Sucht, diese Ich-Besessenheit. Diese Gier nach Größe, Anerkennung. Diese Sehnsucht danach, für den Mob unerreichbar zu sein und zu schweben über allem und jedem. Dieses Verlangen über allem zu scheinen, was irdisch anmutet und nach zu viel irdischer langweiliger Feldarbeit.
Wir kennen das ja
Wir kennen das ja: Wie so manche selbstverliebte Bundestagsabgeordnete in Räume hineinschweben und wieder hinaus. Mittendrin und doch außen vor, das ist der Traum vieler Berufspolitiker. Nicht zu nah kleben an den Plebs oder Polit-Kollegen und Polit-Kolleginnen. Denn das bringt noch mehr Arbeit, noch mehr Probleme.
Heute wissen wir, dass Christian Linder auf seinem Bundestags-Wahlplakat nicht etwa ins Nirwana gleitete, sondern gen Sackgasse.
Sein Blick ging genau dahin, wo er nun gelandet ist: Im politischen Abseits. Psychologen nennen so etwas gerne self prophecy, die Selbsterfüllende Prophezeiung. Ein Portal mit dem vielsagenden Namen verschwoerungstheorien.wikia.com führt dazu etwa aus:
„Die Selbsterfüllende Prophezeiung ist eine Vorhersage, die sich erfüllt, nur weil sie vorhergesagt bzw. erwartet wurde. Die Selbsterfüllende Prophezeiung basiert auf dem Prinzip, dass man selbst auf die Umwelt Einfluss nimmt und versucht sie so in die Richtung zu verändern, die man erwartet. Demnach wird die Erwartung zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung…. Die Selbsterfüllende Prophezeiung wurde von Robert K. Merton in die soziologische Debatte eingebracht, ebenso wie ihr logisches Gegenstück (self-destroying prophecy, ’selbstzerstörende Prophezeiung‘).“ [2]
Ob nun selbst-prophezeiend oder selbst-zerstörend: Beides ist so nah beisammen, wie die berühmte These vom Genie und Wahnsinn, worunter so mancher Unternehmer genauso leidet, wie andere Personen des öffentlichen oder weniger öffentlichen Lebens.
Selbstprophezeihung im positiven Sinne oder das Selbstzerstörerische im Ich?
Fakt ist: Christian Linder hat, das wissen wir nun, auf seinem Wahlplakat weniger die Selbstprophezeihung im positiven Sinne gesucht, also das „Ich werde nächster Außenminister und Vizekanzler“. Er scheint vielmehr das Selbstzerstörerische im Ich gesucht zu haben:
„Ich hasse Angela Merkel, ich will die blöde Kuh weghaben“ mag er sich auf seinem narzisstischen Plakatblick vielleicht gedacht haben.
Denn nichts anderes ist ja nun verlautbart worden: Der Lindnerische habe gerne eine Jamaika-Koalition gehabt, ja wenn diese blöde Kuh Merkel nicht wieder Kanzlerin werden würde wollen.
Das Problem ist nur: Sie will wieder Kanzlerin werden und Lindner wäre nicht der Star der Ersten Reihe, sondern der Mann der Zweiten Reihe.
Eben hinter dem Merkelschen Dickarsch, der schon so manchen Mann plattgesessen hat. Das ist gewissermaßen die Weiterentwicklung des berühmten Leitsatzes des am 16. Juni 2017 verstorbenen Bundeskanzlers a.D., von Dr. Helmut Kohl (CDU).
Kohl sagte man in der Bonner Republik gerne nach, er sitze mit seinem fetten Arsch Probleme, vor allem Personalprobleme, gerne aus.
„Dann kommt Schlag auf Schlag die drückende hektisch in den Kopf schießende Frage: Was tue ich jetzt nur?“
Führungskräfte kennen das: Es tut sich ein Problem auf. Dann kommt Schlag auf Schlag die drückende hektisch in den Kopf schießende Frage: Was tue ich jetzt nur?
Die Probleme sind überall die gleichen: Entweder es handelt sich um ein fachlich-strukturelles Problem. Oder es handelt sich um den Dauerbrenner: Wir haben es mal wieder mit einem personell-stukturellen Problem zu tun.
Die möglichen Lösungsansätze sind dann auch immer die gleichen: Gehe ich auf Angriff oder in U-Boot-Position? Schnappe ich mir das Problem beim Kragen und schüttele es so lange von oben nach unten, von links nach rechts, von schwarz bis weiß, bis es passt, oder ignoriere ich es und gehe erst einmal in Deckung?
Merkel hat sich schon vor 20 Jahren entschieden, damals als sie die totale Macht in der CDU ergriff: Wo ich durch Strippenziehen, devote Maso-Posen und Manöver nicht weiterkomme, sitze ich nicht aus, sondern platt.
Merkel sitzt nicht aus, sie sitzt platt
Das Plattsitzen in scheinbar demütiger Haltung hat sie früh gelernt und dabei immer wieder ihr schauspielerisches Talent belegt.
Im Kabinett von Helmut Kohl spielte sie die spießige Ost-Tussi, die gelehrige Schülerin, das Mädchen mit der dämlichen Armenfrisur, die Rolle der öden aber scheinbar lieben Papi-Maus.
Doch in Wirklichkeit war Merkel die Brutus-Schnepfe, die Brutus-Schlampe in Kohls Kabinett. Sie wartete nur darauf, das Messer zu zücken und den alten CDU-Haudegen Kohl ins Jenseits des politischen Parketts zu befördern.
Ausgerechnet Merkel, die Sozi-Tante, der man auch heute noch nachsagt, sie habe die DDR nicht nur geduldet, sondern sei durchaus nicht so systemfern gewesen, wie sie gerne tue.
Doch auch das wundert ja nicht: Wenn Angela Merkel eines kann, dann ist es sich wie ein Chamäleon anzupassen an die Umwelt, anzupassen an die Umstände, die Welt, die unterschiedlichsten Menschen.
Merkels Devise: Leicht weglächeln ohne sein Gegenüber zu demütigen
Ist die Farbe mal schwarz, kleidet sie sich politisch in schwarz. Ist die Welt mehr grün, gelb oder rot, dann wird die Farbe halt geändert. Ist das Gegenüber ein Milliardär und Trampel wie Donald Trump, der noch nicht einmal die Hand der deutschen Kanzlerin drücken mag, dann wird das betroffen und hart im Nehmend versucht leicht wegzulächeln ohne sein Gegenüber zu demütigen.
Das ganze Leben ist schließlich Veränderung. Das hat Merkel in der DDR gelernt, wo sie genauso überleben wollte wie nach der Wende im kalten Kapitalismus der BRD.
Merkel kann, was Linder nicht vermag: Sich einlassen auf Umstände, die man im Moment nicht ändern kann. Damit verrät Merkel sicherlich viele Ideale. Aber sie regiert eben auch. Sie regiert zwar oft mehr schlecht als recht. Aber sie regiert. Sie sitzt und irgendwie macht sie auch was und sitzt nicht alles nur platt.
Lindner beißt sich an der Kuh Merkel die Zähne aus
Dass ein über 20 Jahre jüngerer Christian Lindner von der FDP sich an einem politischen Vass wie Merkel abarbeitet, ist klar und verwundert nicht.
Jetzt ist Lindner jedenfalls da, wo er scheinbar irgendwie selbstprophezeihend hinwollte: In der politischen Sackgasse.
Sein Versuch, das Ende der Jamaika Koalitionsverhandlungen aber im Nachhinein Angela Merkel zuzuschieben, wie es nun einige Medien behaupten, ist unwürdig.
Solche Strategien gehen nie auf, da das radikale ich oder du kindisch ist und unreif. Es endet nur sehr selten im nachhaltigen Erfolg. Es endet dafür oftmals in der eigenen Katastrophe der Selbstzerstörung, der totalen nicht mehr rückgängig machbaren Selbstdemontage.
Einzelnachweise
(1) Nirwana, in: Wikipedia.
(2) Selbsterfüllende Prophezeiung, in: Verschwörungen Wiki.
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