Mit einer messerscharfen und vor allem für die Massenmedien BILD, FAZ (Frankfurter Allgemeine Zeitung) und dem SPIEGEL Magazin vernichtenden Buchkritik äußerte sich der ehemalige SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück (SPD) in einem bemerkenswerten zweiseitigen Gastbeitrag in der Wochenzeitung DIE ZEIT im Rahmen der Besprechung des Buches „Ganz oben. Ganz unten“. Das Buch hatte nun der ehemalige deutsche Bundespräsident Christian Wulff (CDU) geschrieben. Doch aus Steinbrücks Buchbesprechung ist ein bedrückend dunkles Bild über dubiose Machenschaften von Deutschlands Massenmedien geworden.
Der Artikel in DIE ZEIT (vom 12. Juni 2014) war überschrieben mit der Schlagzeile „Medien als Folterwerkzeug“. Bemerkenswert an Peer Steinbrücks Gastbeitrag in der Wochenzeitung ist, dass ein SPD-Spitzenpolitiker in einer für die Massenmedien vernichtenden Kritik einen CDU-Spitzenpolitiker so deutlich in Schutz gegen Deutschlands Journalisten nimmt:
So zögert Peer Steinbrück auch nicht, gleich zu Anfang seines ZEIT-Artikels klar Stellung zu beziehen, indem er schreibt: „Sicher hat Christian Wulff im Verlauf seines Dramas Fehler gemacht. Einige Personen sind der Auffassung, dass diese Fehler allein seinen Rücktritt rechtfertigen. Der Autor des Buches ‚Ganz oben. Ganz unten‘, das es hier zu besprechen gilt, ist aber unschuldig. Nichts von dem, was ihm medial vorgeworfen und juristisch ins Feld geführt worden ist, hat Bestand. Er muss sich weder verteidigen noch rechtfertigen.“
In dieser Deutlichkeit hat sich bislang kein deutscher Spitzenpolitiker in der Sache Wulff geäußert. Gedacht haben es viele, dass Deutschlands manchmal dumpfe Massenmedien Unrecht an Wulff taten, doch letztlich duckten sich fast alle weg, alle schwiegen, waren froh, nicht selbst im Fokus zu stehen.
So seziert denn auch der Kanzlerkandidat der SPD aus dem Jahr 2013 über die Berichterstattung in den Massenmedien: „Seine Geschichte über Anmaßung von Medien und Justiz, journalistisches Jagdfieber und Rudelverhalten, die Beschädigung einer öffentlichen Person im höchsten Staatsamt, Manipulation und Indiskretion, sogar Rechtsbeugung, Denunziationen und Nötigung – das schreckt fürwahr auf. Wulffs Buch eröffnet einen Perspektivwechsel, in dessen Licht die Skandalisierer selbst zum Skandal werden.“
„Gewalttätiger Journalismus“
In der von den Massenmedien als „Wulff-Affäre“ hochgejazzten Berichterstattung rund um Christian Wulff hätten, schreibt Steinbrück weiter, zahlreiche Journalisten „jede Selbstkontrolle“ verloren, auch „den Sinn für Verhältnismäßigkeit und die Achtung vor Rechtsprinzipien“. Schlimmer kann eine Kritik von einem der über Parteigrenzen hinweg geachtetsten politischen Persönlichkeiten in Deutschland nicht mehr sein.
Doch damit nicht genug, führt Peer Steinbrück doch auch aus, wonach „der Abschuss und die Entwürdigung von Christian Wulff“ der „Skandal eines gewalttätigen Journalismus im Umgang mit einem Politiker“ sei. Dabei sei „im Falle Wulff aus der scharfen Klinge der Meinungsfreiheit ein Folterwerkzeug“ geworden. An dieser gewalttätigen Szenerie, so Steinbrück, hätten sich „Jäger und Treiber, Mitläufer und Informanten, Talkmaster und Schlachtenbummler“ beteiligt.
Doch spart Peer Steinbrück in DIE ZEIT nicht mit Kritik an der eigenen duckmäuserischen Politikerklasse: „Mich selbst und meine politischen Logenmitglieder will ich gar nicht übergehen: all jene im politischen Parkett, denen entweder die Aufführung einer Machtprobe verborgen blieb oder denen das Schauspiel zwar absurd, demütigend und vielleicht sogar widerwärtig erschien, die aber sprachlos die Regisseure wie die voreingenommenen Kritiker gewähren ließen. Es beschämt mich, dass ich den richtigen Zeitpunkt für eine Geste gegenüber Christian Wulff verpasst habe“.
Ebenfalls hart ins Gericht geht Peer Steinbrück mit der in Bezug auf die Wulff-„Ermittlungen“ erscheinenden größenwahnsinnigen und außer Rand und Band agierenden und an Willkürlichkeit erinnernden Hannoveraner Staatsanwaltschaft: „Es ist nicht weniger erlaubt, das Vorgehen der niedersächsischen Justiz gegen Wulff massiv infrage zu stellen, ohne deshalb die Unabhängigkeit der Justiz infrage“ zu stellen, resümiert der SPD-Spitzenmann.
Nicht gut weg kommt in dem ZEIT-Artikel auch die Springer-Presse in Form der Tageszeitung DIE WELT: „Ein unvergessenes Beispiel journalistischer Arglist waren die Andeutungen des Chefredakteurs der WELT und WAMS wenige Wochen vor der Bundestagswahl, ich könnte mich der Stasi oder gar dem KGB hingegeben haben“.