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„Vermächtnis Die Kohl-Protokolle“: Gericht verbietet Biografen Heribert Schwan Zitate in Kohl-Buch

VonTom

Nov 14, 2014 #featured

Es ist ein Unding in der deutschen Journalisten-Szene: Da werden Vertraulichkeit zugesagt in einem Telefonat, persönlichen Gespräch oder im Vorfeld oder Nachspiel einer Ton- und Filmaufnahme und dann wird die Zusage dreist gebrochen.

Dabei ist der Fall des aktuellen Kohl Buchs sicherlich kein Einzelfall. Vielmehr ist es fast Standard bei einigen Journalisten geworden, dass das dem Betroffenen zugesicherte nicht öffentliche Zitat einfach teils – häufig zudem verdreht – dreist publiziert wird. Ob die so öffentlich bloß gestellten und auch betrogenen dann sogar ihren Job möglicherweise verlieren, ist solchen Journalisten egal. Sie gehen über Leichen. In einem Fall aus der kürzeren Vergangenheit handelte es sich um den Redakteur einer bekannten roten boulevardesken großen Computer Zeitschrift, im anderen Fall um die ARD-Sendung Plusminus:

So hatten sowohl der ARD-Plusminus-Autor wie der Kameramann nach einem offiziell abgefilmten O-Ton dem O-Ton-Geber (einem Unternehmenssprecher) mehrmals zugesagt, die Kamera wäre aus und er könne jetzt „off the record“ sprechen. Doch entgegen dieser Aussage ließen sie Kamera und Ton einfach weiterlaufen und ergaunerten sich so heimlich Worte, die etwas offener waren, aber eben als off-the-record, also persönliches weiteres Hintergrundgespräch gedacht waren.

Lug, Betrug, journalistischer Wortbruch – als Mittel zum Zweck der billigen Effekthascherei einer journalistischen Geschichte. Es wird immer mehr Alltag. Die Vertraulichkeit des Wortes zwischen Journalist und Vertretern aus Politik, Wirtschaft oder Entertainment wird auf immer härtere Proben gestellt.

Lug und Betrag gehören mittlerweile zum Standard einiger Journalisten um Umgang mit Zitat-Gebern

Mit einem besonders dreisten Fall der Grenzüberschreitung von zugesagter Vertraulichkeit hatte sich nun ein Gericht in Köln zu beschäftigen, das aufzeigte, dass die Verletzung von zugesagter Vertraulichkeit kein Kavaliersdelikt ist, sondern strafbar ist:

Es stellte sich hinter den klagenden Bundeskanzler a.D., Dr. Helmuth Kohl (CDU) im Umgang mit seinem eigentlich als Biograf gedachten Autor, dem Journalisten Heribert Schwan. So verbot am Donnerstagvormittag das Landgericht Köln in einem Gerichtsurteil die weitere Verbreitung von zahlreichen Zitaten aus dem Buch „Vermächtnis – Die Kohl-Protokolle“.

Im Urteil warf das Gericht dem Autor Schwan unter anderem vor, vereinbarte Vertraulichkeit und Verschwiegenheit nicht gewahrt zu haben. Immerhin hatte sich Helmuth Kohl in über 600 Stunden mit Tonbändern aufgezeichneten Worten teils recht offen über seine jahrelangen Arbeitsverhältnisse mit unterschiedlichsten, teils auch noch aktiven Politiker-Kolleginnen oder Kollegen geäußert. Dabei sagte er so manches beherzt, wie man es eben eher im privaten Rahmen tut, nicht aber unbedingt im öffentlichen. Das führte in den vergangenen Wochen zu dem öffentlichen Eindruck, als würde Helmuth Kohl sich letztlich mit all seinen Ex-Kollegen von Ministern, Fraktionschefs oder Oppositionsführern nur im Clinch befinden.

Kohls ungewöhnliche teils schroffe Worte waren wohl dem Gericht Hinweis genug, dass Kohl an manchen Stellen der 600 Stunden das als private Äußerung machte, welche nicht dem Ziel der Veröffentlichung in diesem Moment dienten.

Praktisch gesehen haben die Rechtsanwälte von Helmuth Kohl nun spät, aber aus ihrer Sicht nicht zu spät, eine Einstweilige Verfügung gegen bestimmte Zitate in dem Buch über Helmuth Kohl von Heribert Schwan erreicht. Das bedeutet ab sofort: Diese Zitate dürfen nirgends mehr, nicht nur vom Buchverlag Heyne, verbreitet werden. Neben Schwan war Tilman Jens Co-Autor.

Selbst klare Verabredungen – ob mündlich oder vertraglich – werden gebrochen

Das Gericht hatte die Geheimhaltungsverabredung zwischen dem Journalisten und dem Altkanzler als eine klare Verabredung angesehen, an welche sich der Journalist Schwan auch hätte halten müssen.

Die vereinbarte Geheimhaltung sei in den Verträgen zwischen dem Verlag, welcher die ersten Bände der Kohl-Memoiren veröffentlichte, deutlich herauszulesen gewesen, hieß es auf Seiten des Gerichts. Dabei sagten die Richter, man sehe eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts von Helmuth Kohl als erwiesen an.

Wie viele Zitate nun in dem aktuellen Buch über Helmuth Kohl vom Gericht untersagt wurden, ist noch nicht klar, aber es scheint sich um einen Großteil der insgesamt 115 kritisierten Zitate zu handeln. Blogs oder andere Medien, die also nach wie vor diese Zitate auf ihren Webseiten haben, sollten diese schnellstmöglich löschen, sonst drohen teure Abmahnungen. Das kann im kulanten Falle bei null Euro anfangen und bis hin zu über 5.000 Euro gehen – je nachdem, wie hoch der Streitwert angesetzt wird. Dieser dürfte aber im Falle von Helmuth Kohl mit diesem aktuellen Urteil im Rücken recht hoch ausfallen.

Ein Vertriebsverbot des unveränderten Kohl-Buchs gilt für jeden, der von dem jetzigen Urteil Kenntnis erlangt – nicht nur für den Verlag

Für das nun in Köln gesprochenes Urteil zeigt sich der Kölner Vorsitzende Richter Martin Koespel hauptverantwortlich. Er argumentierte, es sei nachvollziehbar, wenn der Altkanzler davon ausgegangen sei, dass sein gesprochenes Wort auch auf Bändern aufgezeichnet weitgehend sicher sei und erst in einer gemeinsamen Auswertung entschieden werde, was eben tatsächlich der Öffentlichkeit bestimmt sei und was eher als private nicht für die Öffentlichkeit gedachte Äußerung verwendet werden sollte:

Auch wenn einige Zeitungen schreiben, es sei nur das aktuelle unveränderte Schwan-Buch über Kohl bezüglich des Vertriebsverbots betroffen, also die aktive weitere Verbreitung, nicht aber Bücher, die schon im Buchhandel liegen, so lässt sich dazu sagen:

Das dürfte so nicht ganz stimmen: Theoretisch können die Anwälte von Helmuth Kohl nun jeder Buchhandlung untersagen, Bücher mit diesen Zitaten weiter zu verbreiten – also auch zu verkaufen. Rein theoretisch müssten die Anwälte hierzu sich lediglich an die großen Buchketten wenden. Lediglich kleine Buchhandlungen, die behaupten könnten, man habe sie bislang per Rechtsanwalt nicht angeschrieben, könnten sich herausreden, sie hätten von dem Urteil nichts mitbekommen.

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Von Tom

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