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Günther Jauch: Trauma bei Soldaten – welche Spuren hinterlassen Kriege wie in Afghanistan

VonRingo Later

Jun 10, 2012 #featured

Die US-Militärs schockiert derzeit eine Meldung, wonach im Jahr 2012 sich jeden Tag ein traumatisierter Soldat der US-Armee per Suizid umbringt. Viele kamen verkrüppelt, entweder seelisch oder körperlich, aus dem Krieg zurück, konnten damit nicht leben und brachten sich um. Auch in der Bundeswehr kämpfen die Soldaten mit den Nachwirkungen des Krieges in Ländern wie Afghanistan. Deshalb wollte Moderator Günther Jauch in seiner ARD-Talkshow Sonntagabend von seinen Gästen wissen: Wie kann die Gesellschaft, wie können Betroffene, mit Kriegs-Traumata beispielsweise aus Afghanistan umgehen?

Als Gäste waren ein junger Bundeswehrsoldat sowie ein Soldat aus der Wehrmacht des nationalsozialistischen Deutschland anwesend. Aber auch Ulrich Meyer, Moderator der Akte bei Sat.1 sowie Luc Jochimsen, ehemalige Chefredakteurin des Hessischen Rundfunks diskutierten mit, ebenso Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU).

So vielfältig wie die Gäste, waren die Standpunkte – auch wenn sich die Talkshow etwas schleppend entwickelte. So kam das grundsätzliche Problem, dass viele Bundeswehrsoldaten das Gefühl haben, dass ihre Leistung in Deutschland gar nicht genügend respektiert wird, so gut wie gar nicht zu Wort. Genau mit diesem Thema beschäftigte sich ein Artikel auf dem pazifistischen Portal kriegsberichterstattung.com. Insgesamt 5.400 Facebook-Empfehlungen erhielt dieser Artikel – die meisten von Bundeswehrsoldaten.

Dennoch gab es einige interessante Aspekte in der Talkshow von Günther Jauch. So sagte die bekannte TV-Journalistin Luc Jochimsen, ehemalige Chefredakteurin der ARD beim Hessischen Rundfunk und heutige überzeugte Bundestagsabgeordnete der „Linken“, sie sei auf Grund der schrecklichen Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg überzeugte Pazifistin. Sie sehe fast sämtliche kriegerische internationale Auseinandersetzungen, in die Deutschland derzeit verwickelt sei, äußerst kritisch: Einsätze der Bundeswehr in Afghanistan seien verfassungswidrig, sagte sie. Sinngemäß meinte sie, man habe auf Grund der geschichtlichen Erfahrungen nicht umsonst den deutschen Militärminister heute „Verteidigungsminister“ genannt und nicht „Angriffsminister“.

Weiter führte Jochimsen aus, „dass Deutschland über Jahrzehnte sehr gut damit gelegen hat, dass Deutschland nur im Verteidigungsfall agiert“. Es leuchte ihr nicht ein, warum Deutschland plötzlich eine Angriffsarmee habe. „Ich halte das für verfassungswidrig“, so Jochimsen. Die Bundeswehr verstoße als Angriffsarmee gegen ihren Verfassungsauftrag.

Dem entgegnete Verteidigungsminister Thomas de Maizière, Deutschland sei nun einmal Mitglied in der NATO und müsse entsprechend auch internationale Verantwortung tragen. Das sieht auch der 91-Jährige Heinz Otto Fausten, Soldat aus dem Zweiten Weltkrieg, so: „Wir sind von Freunden umgeben und müssen, wenn man uns fragt, auch helfen“, ist er sicher.

Dass Krieg aber auch Tod, Schmerz und Verkrüppelungen – seelisch oder körperlich – mit sich bringt, darauf wies der Bundeswehr-Soldat Robert Sedlatzek-Müller hin. Er sagte, er leide auf Grund seiner Auslandseinsätze im Kosovo und in Afghanistan heute unter einer posttraumatische Belastungsstörung. Er leide beispielsweise unter einem Tinnitus oder einem körperlichen Kriegszittern. Dabei sei er froh, dass er das heute wenigstens in einer Therapie behandeln lassen könne. Im Jahr 2002 hatte er nur knapp eine Raketenexplosion überlebt. Sedlatzek-Müller führte aber auch aus, dass es ihn bedrücke, dass er als Soldat in Deutschland einfach nicht genügend Akzeptanz und Respekt erhalte. Oftmals stoße er auch auf Ablehnung, da er heute beispielsweise gegen einen Krieg in Afghanistan sei.

Heinz Otto Fausten, Panzergrenadier im Zweiten Weltkrieg, ergänzte, dass auch er jahrzehntelang unter Kriegstraumata gelitten habe. Man könne das Sterben, das Grauen des Krieges, die körperlichen Verletzungen und Verstümmelungen, niemals vergessen, warnte Fausten.

Trotz der enormen Risiken für die Gesundheit und das Leben von Soldaten auch der Bundeswehr, sagte Verteidigungsminister Thomas De Maizièr, dass auch Deutschland eine Pflicht habe innerhalb des westlichen Verteidigungs- und Kriegsbündnisses NATO militärisch mitzuwirken „wenn der Frieden versagt“. Er sagte: Soldaten seien Helfer, Beschützer, aber auch Kämpfer.

Sat.1-Moderator Ulrich Meyer, Oberstleutnant in der Reserve, wies darauf hin, dass die „Kämpfermentalität“ der deutschen Soldaten für Deutschland neu sei, aber auch wichtig. Es können nicht sein, dass die Bundeswehr nur zur Eindämmung von Hochwasser an der Oder genutzt werde. Die Bundeswehr habe einen Kampfauftrag mittlerweile – auch international in Bündnissen. „Wenn ein Bundeswehrsoldat als Kämpfer auftreten muss, akzeptieren wir das zu wenig“, kritisierte Meyer.

Auf das Diskussionsfazit von Thoms de Maizière, wonach Deutschland „einen Beitrag leisten müsse, auch anderen Völkern zu helfen“, erwiderte Luc Jochimsen: „Müssen wir das wirklich?“ Sie verwies auf die komplexen internationalen Krisenherde, wie Afghanistan: „Wir führen zehn Jahre Krieg in Afghanistan. Mit welchem Erfolg?“, frage sie. Immerhin gab de Maizière zu: „Wir hatten es aus menschenrechtlichem Engagement gemacht. Nur heute wissen, wir: Das kostet Blutzoll und Geld.“

Auch wenn sich alle Talkshow-Teilnehmer sehr engagiert zeigten, so fehlte doch der Sendung etwas der Esprit. Das lag aber vor allem an der Redaktion von Günther Jauch, die einfach viel zu einfallslos die Sendung aufgebaut hatte, aber auch Jauch wirkte etwas langweilig. Etwas mehr filmische Einspielungen, auch Inszenierungen, mit welchen Problemen sich Soldaten in Deutschland herumschlagen müssen, hätte der Sendung gut getan.

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