Am Freitag, 7. Februar, beginnen im russischen Badeort Sotschi die Olympischen Winterspiele 2014. Russland will sich der Weltöffentlichkeit mit den Spielen als modernes und weltoffenes Land präsentieren. Doch ungeachtet des auf Hochglanz polierten Spektakels reißt die Kritik von Menschenrechts- und NGO-Gruppen am russischen Regime nicht ab. Mit einer Demonstration vor der russischen Botschaft in Berlin machte nun „Reporter ohne Grenzen“ (ROG) am 4. Februar auf die Unterdrückung der Presse in Russland aufmerksam: „Unabhängiger Journalismus. Die schwerste Disziplin in Sotschi“ lautete die Botschaft mit einem zum Eisblock eingefrorenen Plakat, das eine brennende Zeitung als olympische Fackel ziert.
Russland steht auf der ROG-Rangliste der Pressefreiheit Russland nur auf Platz 148 von 179 Staaten. Seinen Präsidenten Wladimir Putin zählt Reporter ohne Grenzen seit Jahren zu den „größten Feinden der Pressefreiheit weltweit“. Denn laut ROG unterdrücke die russische Führung systematisch unabhängige Stimmen in einheimischen Medien. In den vergangenen zwei Jahren hat Reporter ohne Grenzen mehr als 30 Angriffe auf Journalisten in Russland gezählt, seit dem Jahr 2000 wurden mindestens 30 Reporter wegen ihrer Arbeit getötet. Die meisten Journalistenmorde registriert ROG dabei im Nordkaukasus, also in jener Region, in der in wenigen Tagen die Olympischen Winterspiele beginnen.
Zum Beginn des Olympischen Fackellaufs in Moskau hatte Reporter ohne Grenzen bereits den Bericht „Der Kreml auf allen Kanälen. Wie der russische Staat das Fernsehen lenkt“ vorgestellt. „Die systematische Unterdrückung unabhängiger Stimmen in russischen Medien steht in krassem Widerspruch zum Image eines modernen und offenen Landes, als das sich Russland zu den Winterspielen in Sotschi präsentieren will“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr in Berlin. „Der Kreml nutzt das landesweite Fernsehen, um seine Macht zu sichern und mit der Kraft kontrollierter Bilder seine Sicht auf die Welt zu vermitteln“, so Mihr. ROG appelliert an die Programmverantwortlichen der deutschen Rundfunkanstalten, in der Sotschi-Berichterstattung Problemen wie Umweltzerstörung, Zwangsumsiedlungen und der Ausbeutung von Gastarbeitern einen angemessenen Platz einzuräumen.
Seit dem Amtsantritt Wladimir Putins im Jahr 2000 hat der Kreml die landesweiten Fernsehsender wieder weitgehend unter seine Kontrolle gebracht und durch gezielte Personalpolitik kritische Journalisten aus den Redaktionen gedrängt. Übrig bleiben bei den drei wichtigsten landesweiten Fernsehsendern (Perwyj Kanal, Rossija und NTV) Redakteure, die sich den Machthabern nicht offen entgegenstellen oder ihre Überzeugungen nicht offen auf dem Bildschirm vertreten. Ihren Einfluss stützen diese Sender auf ein noch aus sowjetischer Zeit stammende Übertragungssystem, das fast alle Haushalte des riesigen Landes erreicht. Kremlkritische Sender, wie der vor dreieinhalb Jahren gegründete Kanal TV Doschd werden auf diesem Weg nicht übertragen. Unabhängige Zeitungen oder Onlinemedien spielen bei der politischen Willensbildung im Land nur eine geringe Rolle.
Internationale Journalisten ruft Reporter ohne Grenzen zu einem transparenten und verantwortungsvollen Umgang mit Fernsehbildern und journalistischem Material aus Russland auf. Angesichts der massiven Kontrolle des russischen Fernsehens durch den Staat sollten Rundfunkanstalten, die Material staatsnaher russischer Sender übernehmen, dies deutlich kennzeichnen und die Herkunft der Bilder durch Quellennachweise transparent machen. Berichterstatter sollten die Realität vor Ort im Blick behalten und sich nicht durch professionell produziertes, vermeintlich journalistisches Material täuschen lassen, das im Auftrag der russischen Führung entsteht und deren Image im Ausland verbessern soll.
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