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Nicola Leibinger-Kammüller zur Ukraine Krise: „allzu oft beiseite geschaut“

VonRedaktion

Mrz 1, 2022

TRUMPF CEO Nicola Leibinger-Kammüller on current events in Ukraine. Foto: LinkedIn

TRUMPF CEO Nicola Leibinger-Kammüller on current events in Ukraine. Foto: LinkedIn

Die schwäbische Unternehmerin Nicola Leibinger-Kammüller hat auf ihrem LinkedIn-Kanal sich zur aktuellen Ukraine-Krise geäußert. Wir geben ihre mahnende und weitblickende Stellungnahme ungekürzt zur Kenntnis:

„Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei TRUMPF

wir alle sehen an den Bildschirmen seit letzter Woche dramatische Bilder aus dem Osten Europas. Panzer und schwere Artillerie rollen auf den Straßen. Autoschlangen mit Zivilisten bewegen sich aus der ukrainischen Hauptstadt Kiew in Richtung Westen, zur polnischen Grenze, um möglichen Angriffen russischer Geschosse auf Wohnhäuser zu entgehen. Menschen, die bleiben wollen, sitzen in Kellerräumen oder U-Bahn-Schächten, um sich in Sicherheit zu bringen vor Raketeneinschlägen.

Es sind Bilder, wie man sie aus Syrien, dem Irak oder aus Israel kennt. Nicht jedoch aus einem Gebiet, das nur zwei Flugstunden von Berlin entfernt ist.

Mitgefühl mit den Menschen

Es spielt dabei aus meiner Sicht eine untergeordnete Rolle, dass die geopolitischen Auseinandersetzungen um die Ostukraine bis in das Jahr 2014 und sogar davor zurückreichen, wir im Westen allzu oft beiseite geschaut haben, obwohl es unzählige Reportagen gab. Oder dass die Geheimdienste seit Wochen davor warnten, dass Russland diesen Weg gehen würde, wenn in den USA, in Europa und auch in Deutschland die Regierungskonstellationen „günstig“ im Sinne einer scheinbaren Führungsschwäche seien. Sogar das Ende der Olympischen Spiele in China scheint der russische Staatspräsident Putin abgewartet zu haben, um sich der Rückendeckung der chinesischen Führung gewiss zu sein. Deutschlands Wintersportler haben dort den zweiten Platz im Medaillenspiegel vor China und den USA erlangt – welch enges Beieinanderliegen von Freud und Leid medialer Bilder binnen nur einer Woche!

Wichtiger erscheint mir, dass es jetzt erstmals wieder Krieg auf europäischem Boden gibt, der wie jeder Krieg nur Leittragende kennen wird. Unsere Gedanken sind darum bei denen, die jetzt um ihr Leben fürchten müssen – oder die ukrainisch-stämmige Angehörige weltweit haben, auch in der TRUMPF Gruppe. Und darüber hinaus: um das Ende der Freiheit und demokratischer Strukturen, wie sie in der Ukraine in den letzten Jahren aufgebaut wurden. Denn der Krieg gegen die Ukraine ist eben mehr als nur ein Krieg um Territorien, Einfluss, die Zurückdrängung der NATO. Es geht auch um die Frage, ob wieder autokratische Strukturen wie in Russland beziehungsweise Lukaschenkos Weißrussland etabliert werden, oder aber eine Demokratie westlichen Zuschnitts.

Auswirkungen auf die Wirtschaft

Fünfzig Prozent des Gases, das in Deutschland genutzt wird, stammt aus Russland – so viel wie aus Norwegen und den Niederlanden zusammen. Und natürlich mischen sich in das Entsetzen aktuell auch Befürchtungen, was die Auswirkungen des Konflikts auf die Wirtschaft anbelangt. Auch TRUMPF hat Geschäft mit Russland. Wir werden die direkten Auswirkungen anders als andere Unternehmen dennoch weniger direkt zu spüren bekommen, wenn sich diese Frage bei Ihnen stellt.

Allerdings steigt auch bei uns die Wachsamkeit vor Cyberangriffen seitens Russlands, die durch die EU-Sanktionen zunehmen könnten. Oder die Sorge, dass die Weltwirtschaft angesichts der ohnehin strapazierten Lieferketten weiter beeinträchtigt wird. Denn die Rohstoffpreise für Metalle oder Öl steigen seit Tagen. Übrigens auch, weil China bislang eng an der Seite Russlands steht, was zu einer Reaktion der USA bis hin zu weiteren Handelssanktionen führen könnte. Das ist zumindest kein unrealistisches Szenario, dem wir ins Auge blicken müssen.

Friedenswille auch in Russland

Die russische Seele sei tief, sagt man – nicht nur in der Musik, der Malerei, der Literatur, symbolträchtig in Tolstois „Krieg und Frieden“. Russland ist von der Oktoberrevolution bis zum Zweiten Weltkrieg und dem Stalinismus der Nachkriegszeit besonders geprüft gewesen. Mancher meint, diese Schrecken hätten auch eine besondere Leidensfähigkeit ausgeprägt. Sich und anderen gegenüber.

Halten wir uns aber an die Fakten der Gegenwart: Die Demonstrationen gegen den Ukraine-Krieg in Sankt Petersburg und Moskau zeigen, dass viele Russinnen und Russen mit den Plänen des Kremls überhaupt nicht einverstanden sind. Dass sie sich wie die Menschen in der Ukraine Frieden, Presse- und Wahlfreiheit sowie wirtschaftlichen Wohlstand wünschen, anstatt sehenden Auges in harte Sanktionen und die weitere Entfremdung vom Westen zu gehen. Und Angehörige als Soldaten zu verlieren.

Hoffen wir, dass etwas von diesen Wünschen das politische Handeln Moskaus und der Weltgemeinschaft in den nächsten Tagen erreichen wird. Dass alle Seiten besonnen agieren. Eine Ausweitung des Krieges in der Ukraine dürfte, darin sind sich alle Beobachter einig, gravierende Folgen für die Statik auf dem Kontinent haben. Vor allem wäre sie 30 Jahre nach Fall des Eisernen Vorhangs ein gravierender zivilisatorischer und humaner Rückschritt.

Es ist nur der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein. Aber der TRUMPF Vorstand hat am Wochenende beschlossen, eine Sofortspende für die hilfebedürftigen Menschen aus der Ukraine auf den Weg zu bringen.

Nachdenkliche Grüße

Ihre Nicola Leibinger-Kammüller“

 

Quelle: LinkedIn. Abgerufen am 1. März 2022.

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Von Redaktion

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